TV-Tipp des Tages: "Palermo Shooting" (Arte)
Eine visuell faszinierende philosophische Studie inmitten einer pittoresken Szenerie: Wim Wenders' Spätwerk mit Dennis Hopper besticht durch den Sound der Sinnlichkeit.
06.07.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Palermo Shooting", Donnerstag, 14. Juli, 20.15 Uhr, Arte

Schau an: Der Tod ist Kunstkritiker. Von der Digitalisierung der Bildmedien zum Beispiel hält er gar nichts, weil nun alles manipulierbar sei: "Du verlierst das Eigentliche." Das Eigentliche war für Wim Wenders schon immer die Reise ins Ich. Deshalb hat er seine vor gut dreißig Jahren gegründete Produktionsgesellschaft Road Movies genannt: weil die Figuren seiner Filme stets auf der Suche waren. Das gilt auch für den Düsseldorfer Fotografen Finn ("Tote Hosen"-Sänger Campino), den unsteten Helden von "Palermo Shooting", der am liebsten auf Schlaf verzichten würde, weil ihm die Zeit durch die Finger rinnt.

Erst eine Beinahe-Unfall bringt ihn zur Besinnung: Nach einem Fototermin in Palermo nimmt er sich eine Auszeit, streift durch die Stadt, sammelt Eindrücke und Augenblicke. Zwischendurch nickt er immer wieder auf öffentlichen Plätzen ein, schreckt aber jedes Mal hoch, weil eine ominöse Gestalt ihm im Traum nach dem Leben trachtet. Als Finn die Italienerin Flavia (Giovanna Mezzogiorno, eine melancholische Schönheit) kennen lernt, verstärken sich seine Todesahnungen: Die Restauratorin arbeitet an einem Fresko aus dem 15. Jahrhundert. Es trägt den Titel "Il Trionfo della Morte" ("Der Triumph des Todes").

Philosophie und Ästhetik

Nicht minder faszinierend als die philosophische Ebene ist die ästhetische Gestaltung des Films. Dank des auf seine heruntergekommene Art ungemein pittoresken Palermos sind Franz Lustig, der für Wenders auch schon "Land of Plenty" und "Don't Come Knocking" fotografiert hat, Bilder gelungen, die für sich genommen schon Kunst sind. Neben Campino und Palermo spielt die Musik die dritte Hauptrolle in diesem Film, denn sie begleitet Finn auf Schritt und Tritt. Mit den eigens für den Film geschriebenen Songs aus seinen Kopfhörern hält er die Welt auf Distanz.

All dies aber bereitet bloß den Weg für den würdigen Höhepunkt der Geschichte. Der vor gut einem Jahr verstorbene Dennis Hopper ist in seinem ersten Wenders-Film seit "Der amerikanische Freund" ein formidabler Tod. Kahl rasiert, leichenblass und so beleuchtet, dass sein Kopf wie ein Totenschädel wirkt, spielt Hopper den Tod als müden alten Mann, der sich unverhofft großzügig zeigt. Frei nach Cocteau erklärt er Finn, jedes seiner Fotos zeige ihn, den Tod, bei der Arbeit. Gehen lässt er ihn trotzdem, und endlich ist das Jetzt bloß jetzt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).