"Tatort: Schweinegeld", Sonntag, 10. Juli, 20.15 Uhr im Ersten
Natürlich beginnt auch dieser Krimi mit einer Leiche, aber wenn man überhaupt von Mord sprechen kann, dann allenfalls von einem Mord aus Versehen. Dies zeigt bereits, dass Christoph Silber und Thorsten Wettcke mehr im Sinn hatten als bloß neunzig Minuten fesselnde Unterhaltung. Andererseits beweist der Film auch dank der konzentrierten Inszenierung durch Bodo Fürneisen, dass das eine das andere nicht ausschließen muss. Es gelingt dem Trio, Themen wie die skandalöse Beschäftigung von osteuropäischen Leiharbeitern oder EU-Subventionsbetrug mit Hilfe der obligaten Krimizutaten zu einer komplexen Geschichte zu verdichten, in der es überdies auch um einen tragischen Todesfall, mafiöse Strukturen im internationalen Fleischhandel sowie um einen Vater/Sohn-Konflikt geht; und das sind bloß die wichtigsten Handlungsstränge.
Darauf deutet zunächst allerdings nichts hin, als der Berliner Fleischgroßhändler Merklinger tot im Kühlraum gefunden wird. Vermisst hat ihn bloß seine Geliebte. Dem Sohn (Lucas Greogorwicz) spielt das Ableben des Vaters in die Karten, denn nun hat er freie Hand für seine Pläne: Er will schon lange ukrainische Teilhaber in die Firma holen, um den Betrieb modernisieren zu können, doch der Vater war immer dagegen. Als sich herausstellt, dass der Seniorchef keineswegs ermordet wurde, sind Till Ritter und Felix Stark (Dominic Raacke, Boris Aljinovic) aber schon mitten drin in den Ermittlungen.
Stark muss nach einem Schlag auf den Schädel allerdings ins Krankenhaus und seinem Kollegen Weber (Ernst-Georg Schwill) weichen. Anscheinend ist Merklinger von Teilen der Belegschaft entführt worden: Er ist den durch einen Subsub-Unternehmer vermittelten Arbeitern aus Bulgarien bereits seit Monaten ihre ohnehin schon kargen Löhne schuldig. Der Sohn kungelt derweil mit der Mafia, und ein kleines Mädchen musste einen qualvollen Tod sterben, weil Gammelfleisch quer durch Europa transportiert wird.
Ungewöhnliche Bilder
"Schweinegeld" ist ein treffender Titel für diesen "Tatort", der nicht zuletzt durch seine sorgfältige Bildgestaltung beeindruckt. Fürneisen und sein Kameramann Nicolai Kätsch haben sich sichtlich und erfolgreich um Einstellungen jenseits der üblichen Fernsehnorm bemüht. Immer wieder zeigt die Kamera gerade die Büros aus einer extremen Deckenperspektive. Andererseits braucht man für die Schlachthofaufnahmen einen starken Magen: Angesichts der industriellen Fleischverarbeitung kann einem der Appetit auf Schweinefleisch durchaus vergehen. Dennoch imponiert der Film vor allem durch sein komplex gewebtes, aber immer flüssiges Erzählmuster. Und im Gegensatz zu manch anderem "Tatort" vergessen Silber, Wettcke und Fürneisen nie, in erster Linie einen Krimi zu erzählen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).