Pro: Warum ich Google+ lieber mag
Vor drei Wochen hat sich unsere Tochter mit elterlichem Einverständnis bei Facebook angemeldet, vor drei Tagen habe ich mich bei Google+ registriert, so dass ich beide Anmeldeprozeduren noch gut vergleichen kann.
Nach der Facebook-Anmeldung gingen meine Tochter und ich gemeinsam auf die Datenschutz-Seiten. Ich war überrascht. Obwohl wir ihr Alter bei der Registrierung angeben mussten, galt als vordefinierte Einstellungen für die Privatsphäre, dass jeder alle Fotos und Beiträge lesen kann. Warum soll standardmäßig die ganze Welt die Fotos und Beiträge eines Teenagers lesen können, obwohl meine Tochter sich eigentlich nur mit Freunden austauschen möchte? Wir veränderten darauf fast alle Privatsphäre-Einstellungen, in dem wir sie verschärften. Die Philosophie hinter facebook: erstmal ist alles öffentlich, wenn du es nicht explizit schützt. Dies erfordert aber Aufwand und Verständnis.
Im Gegensatz dazu meine Anmeldung bei Google+. Beim Befüllen meines Profils und beim Verfassen der ersten Beiträge erhielt ich mehrmals Hinweise auf den Datenschutz und die Nachfrage, für wen diese Information sichtbar sein soll. Google+ bietet mir direkt mehrere Kreise an (unter anderem Familie, Freunde, Bekannte), bei denen ich unterscheiden kann, wer was von mir erfährt. Bei jedem Beitrag dasselbe: Ich muss mich durch ein Häkchen entscheiden, wer ihn lesen darf – das hat schon eine sehr pädagogische Wirkung. Beim Absetzen einer Statusmeldung überlege ich nochmals, für wen diese sichtbar sein soll.
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Und wenn ich doch einmal zu schnell war? Sofort fand ich diese Hilfeseite: "Tippfehler? Sie haben es sich anders überlegt? Sie können Ihre Kommentare auch bearbeiten und löschen." Außerdem lassen sich die Kreise schnell erweitern. So lässt sich mit einem Klick beispielsweise ein Kreis für den Sportverein einrichten. Meine Sportfreunde erhalten dann andere Statusmeldungen von mir als meine Kollegen. Das mag sich alles kompliziert anhören, jedoch ist die Seite einfach und intuitiv zu bedienen. Die reine Nutzung von Google+ macht einen sensibel, welche Daten privat, halböffentlich oder öffentlich sind.
Auf die Dauer wird es schwierig und ist aufwändig, zwei soziale Netzwerke gleichzeitig zu bespielen – daher wird es um die Frage gehen: Facebook oder Google?
Facebook geht es nicht zuerst darum, was der Nutzer wem mitteilen will, sondern möglichst viele Daten für das Netzwerk zu gewinnen und diese öffentlich zugänglich zu machen. Je mehr Inhalte auf Facebook sind, desto länger bleibt der User in diesem Netzwerk und surft nicht auf andere Webseiten. Es ist nur eine grobe Unterscheidung zwischen Freunden und Freunden von Freunden möglich. Aufgrund der fehlenden Differenzierung und der Benutzerführung kam es in den letzten Tagen mehrfach dazu, dass Facebook-Einladungen zu privaten Geburtstagsfeiern sich zwischen allen Nutzern verbreiteten.
Auch Google sammelt Daten der Nutzer. Ich kann sehr gut Menschen verstehen, die Google keine persönlichen Daten anvertrauen wollen. Konsequent ist es dann, keine Google-Dienste zu nutzen, die einen Zugriff auf persönliche Daten gewähren. Ich selbst besitze seit einigen Jahren ein Mail-Konto bei Google. Anfangs fühlte es sich komisch an, dass passend zu einer Email auf der rechten Seite Werbung eingeblendet wurde. Google wurde ursprünglich dafür stark kritisiert, die Email-Korrespondenz seiner Nutzer mitzulesen.
Inzwischen habe ich verdrängt, dass eine Maschine meine Mails mitliest und nehme die Werbung fast nicht mehr wahr, die auf der rechten Spalte eingeblendet wird. Mittlerweile machen dies nicht nur Google, sondern auch viele andere Mail-Anbieter – es ist Normalität, sobald ich mich auf das Kostenlos-Internet einlasse. Wenn Google schon meine Mail-Geheimnisse kennt, dann habe ich mich vor Google schon entblößt – und muss darauf vertrauen, dass Google nicht nur mit meinen Emails, sondern auch mit meinen Google+-Daten verantwortlich umgeht.
Wenn ich soziale Netzwerke nutzen will, auf denen meine Freunde, Bekannte und Kollegen sich treffen, stehe ich in der Zukunft wahrscheinlich vor der Wahl: Facebook oder Google+. Ideal wäre natürlich ein Netzwerk, das keine personenbezogenen Daten sammelt – doch diese Wahlmöglichkeit gibt es nicht. Zurzeit würde ich mich für Google+ entscheiden, da hier der Datenschutz besser umgesetzt ist und ich die Bedienung einfacher finde. Oder ich nutze eine Applikation, die automatisiert meine Google-Inhalte auch in Facebook veröffentlicht.
Ralf Peter Reimann
Contra: Doch wieder wider die Datenkrake
Nach allem, was ich bisher gelesen und gesehen habe, ist Google+ im Vergleich zu Facebook das technisch bessere soziale Netzwerk. Keine Apps und Spiele, die die Timeline zumüllen, keine Glücksnuss und kein Farmville, kein "Soundso gefallen jetzt blablabla und blub". Kontakte sind keine "Freunde" mehr, lassen sich komfortabel in "Kreisen" unterbringen statt in Listen und statt "Like!" heißt es jetzt "+1".
Trotzdem werde ich erstmal nicht in Google+ einsteigen, und es liegt nicht daran, dass dort nur wenige Freunde sind. Warum also nicht? Dazu zwei kleine Anekdoten.
Erstens: Neulich wollte ich mich bei YouTube einloggen, mit meinem Account, den ich noch aus den Anfangsjahren der Videoplattform habe. Da sagte mir Google, ich müsse mich mit einem Googleaccount einloggen. Der reine YouTube-Account funktioniere nicht mehr.
Zweitens: Ich habe Jahre gebraucht, um Facebook beizutreten. Was mich letztlich dazu bewogen hat, war ein Spiel: Chain Rxn. Damals gab's das nur auf Facebook, heute kann man es auch einfach so im Web oder auf mobilen Plattformen spielen. Über den Highscore-Vergleich blieb ich auf Facebook hängen.
Was heißt das alles? Google+ bietet derzeit keine solche "killer app", die mich in das Netzwerk zieht. Die offenbar bessere Benutzbarkeit der Seite ist zwar schön, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Facebook nachzieht, ist sehr, sehr hoch. Und Videokonferenzen außerhalb von Skype habe ich noch nicht gebraucht.
Außerdem möchte ich Google nicht noch mehr über mich erzählen. Ich weiß, es gibt Leute, die das "Datenkraken"-Argument für schwach halten. Und klar: Facebook ist da auch nicht gerade Branchenprimus. Aber Google ist eine Firma, die für das Sammeln von Daten gegründet wurde. Googles selbsterklärte Mission ist, alle Informationen weltweit verfügbar und nutzbar zu machen. Schon jetzt ist Google in unseren Computern, in unseren Handys, in unseren E-Mails, in unseren Stromzählern und in unseren Autos. Google weiß, wie wir surfen, was wir für Videos sehen, wo wir hinfahren, wie wir aussehen und natürlich was wir generell so suchen.
Gut, dass "don't be evil" ebenfalls zu den Google-Grundsätzen gehört. Jedenfalls weiß Google schon eine ziemliche Menge über mich, auch wenn ich viele seiner Dienste bewusst vermeide. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das alles noch mit einer zentralen Identität verknüpfbar machen will. Auf der anderen Seite erliege ich eben doch immer wieder dem Massensog und dem Lockruf des Bedienkomforts, deshalb habe ich auch keinen Diaspora-Account und keinen Linux-Rechner.
Aber bei Facebook habe ich wenigstens das Gefühl, dass die nicht so richtig wissen, was sie mit ihrem Datenschatz anfangen wollen (außer Werbung zu verkaufen). Und vielleicht ist Googles "Alles wissen wollen" im Endeffekt nicht so schlimm, wer kann schon in die Zukunft schauen (außer Google)? Aber egal wie die Datenschutzeinstellungen nach außen hin sind: Google erfährt immer alles. Und da habe ich Hemmungen, mich voll und ganz in den Googlepool zu stürzen. Zumindest so lange ich dort nicht Chain Rxn spielen kann.
Hanno Terbuyken
Ralf Peter Reimann ist Pastor und arbeitet für evangelisch.de, Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de.