Der erste "Bufdi" begann um Mitternacht
In Deutschland beginnt heute eine neue Ära. Wehrdienst und Zivildienst sind am 30. Juni zu Ende gegangen, ab sofort gibt es Freiwillige beim Bund und in den Krankenhäusern, in der Alten- und Behindertenbetreuung. Bisher waren 19.700 "Zivis" im Einsatz, ab Freitag sind es 17.300 "Bufdis".

Der "reibungslose Übergang zum Freiwilligendienst" sei gelungen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Hermann Kues, am Donnerstag in Berlin zum Start des Bundesfreiwilligendienstes. Es seien bereits 3.000 Verträge geschlossen worden. Zusammen mit rund 14.000 Zivildienstleistenden, die ihren Dienst freiwillig verlängern wollen, komme man auf 17.300 Freiwillige, rechnete Kues vor.

Der erste "Bufdi" in Deutschland hat nach Angaben der badischen Diakonie seinen Dienst in der Nacht zu Freitag um 00 Uhr im SRH-Klinikum Karlsbad-Langensteinbach bei Karlsruhe begonnen. Der 28-jährige Marc Philipp hat in den letzten vier Wochen hier ein Praktikum absolviert und sich dann für den Bundesfreiwilligendienst entschieden. Später will er eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen. In der Regel dauert der Dienst ein Jahr, mindestens aber sechs Monate. Höchstzeit sind anderthalb Jahre, in Ausnahmefällen 24 Monate.

Kommunen und Sozialverbände begrüßten den neuen Dienst, gehen aber von einer längeren Anlaufzeit aus. Die SPD sprach von einem Fehlstart, die Gewerkschaftsjugend lehnte den Bundesfreiwilligendienst ab. Bis Ende Juni waren noch 19.700 Zivis im Dienst. Im vorigen Jahr waren es insgesamt rund 78.000, im Jahr zuvor 90.000. Die Bundesregierung rechnet ab 2012 mit 35.000 Bundesfreiwilligen pro Jahr.

Schon zu Start ein voller Erfolg - oder doch Anlaufschwierigkeiten? 

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, sagte, der Übergang vom Zivildienst als einem Pflichtdienst zum neuen Freiwilligendienst stelle eine Herausforderung dar. Er forderte eine "offensive Informationspolitik", um den neuen Dienst in der Bevölkerung bekanntzumachen. Bei der Caritas, die 3.300 Plätze zu vergeben hat, haben sich bisher 400 Freiwillige angemeldet.

Umfragen zufolge weiß nur gut die Hälfte der Jugendlichen von dem neuen Dienst. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) erklärte, es gebe genügend Jugendliche, die sich engagieren wollten. Allerdings hätten sie widersprüchliche Anforderungen zu erfüllen: Einerseits sollten sie sich Zeit nehmen für gesellschaftliches Engagement, andererseits aber Schule und Ausbildung schnell durchlaufen.

Der Deutsche Städtetag wies darauf hin, dass den Freiwilligen mehr Einsatzgebiete offenstünden als bislang den Zivildienstleistenden. Die bisher geringe Zahl an Bewerbern dürfe nicht vorschnell als Misserfolg gewertet werden, mahnte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus. Nach einer Anlaufphase werde der Bundesfreiwilligendienst auf gute Resonanz stoßen. Der Deutsche Landkreistag erklärte hingegen, die gesellschaftlichen Folgen durch den Wegfall des Zivildienstes seien "enorm". Zwei Drittel der Zivis seien in der Pflege und Behindertenhilfe beschäftigt gewesen, sagte Verbandspräsident Hans Jörg Duppré.

Kritik kam von der DGB-Jugend. Der Freiwilligendienst sei eine Konkurrenz zu regulärer Beschäftigung und weite den Niedriglohnsektor aus, erklärte DGB-Bundesjugendsekretär Renè Rudolf. In der Sozialbranche drohe Lohndumping und die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze. Die SPD-Fraktion sprach angesichts der niedrigen Bewerberzahlen von einem "Fehlstart". Wesentliche organisatorische Fragen seien nicht geregelt, der neue Bundesfreiwilligendienst konkurriere mit dem beliebten Freiwilligen Sozialen Jahr.

Kues: "Wir müssen mobilisieren"

Das Familienministerium weist Kritik zurück, wonach der Start des Bundesfreiwilligendienstes nicht ausreichend vorbereit wurde. "Natürlich ist es sehr schnell gegangen, gar keine Frage", sagte der Staatssekretär Hermann Kues am Freitag im "Morgenmagazin" des ZDF. Doch seien die Träger der Dienste seit dem Frühjahr informiert, kurz darauf sei auch die Anwerbung von Interessenten gestartet. Dabei seien die Einsatzstellen wie auch die Politik gefordert. "Wir müssen mobilisieren", sagte Kues am ersten Tag des neuen Dienstes. Der Bund fördert die Freiwilligendienste insgesamt mit 350 Millionen Euro, mehr als in den Jahren zuvor. Im Mai hatte die Regierung eine eigene Kampagne für den neuen Dienst gestartet.

Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums stehen für den Bundesfreiwilligendienst bereits 18.500 Plätze vom ökologischen Weinbau über Sportbetreuung für behinderte Kinder bis hin zu Vorlesediensten im Pflegeheim zur Verfügung. Alle bisherigen Zivildienstplätze werden anerkannt. Der Bund fördert die Freiwilligendienste insgesamt mit 350 Millionen Euro, mehr als in den Jahren zuvor. Der Übergang vom Zivildienst zum Bundesfreiwilligendienst wird aus dem laufenden Haushalt finanziert. Im Mai hatte die Regierung eine eigene Kampagne für den neuen Dienst gestartet.
 

epd