Pariser Alleingang in Libyen: Waffen für die Rebellen
Wieder einmal preschen die Franzosen vor. Sarkozy liefert den libyschen Rebellen Waffen - ohne die Nato zu informieren. Hat Paris gegen das UN-Embargo verstoßen, das Waffenlieferungen an Libyen verbietet?
30.06.2011
Von Anne-Beatrice Clasmann und Ulrike Koltermann

Frankreich steht beim Libyen-Einsatz mächtig unter Erfolgsdruck: Nicht nur, weil die Regierung den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi endlich loswerden möchte. Sondern auch, weil Präsident Nicolas Sarkozy im Wahlkampf keine Debatte über Notwendigkeit und Kosten des Einsatzes gebrauchen kann. Um sein Ziel zu erreichen, schreckt er vor Alleingängen nicht zurück: Die französische Regierung räumte nun ein, dass sie ohne Absprache mit den Verbündeten Waffen an die Rebellen geliefert hat. Offen bleibt, ob dies eventuell sogar als Verstoß gegen das UN-Embargo gewertet werden kann, das Waffenlieferungen an Libyen verbietet.

"Wir haben lediglich leichte Waffen zur Selbstverteidigung geliefert, Sturmgewehre und Maschinengewehre", sagte Armeesprecher Thierry Burkhard. Die von französischen Medien verbreitete Zahl von 40 Tonnen Militärgütern sei völlig übertrieben. Eine konkrete Menge wollte er selbst aber nicht nennen.

Eine rein französische Entscheidung

Französische Flugzeuge hätten die Waffen mit Fallschirmen versehen über der Bergregion Dschebel Nafusa abgeworfen. "Das war eine rein französische Entscheidung, das geht die Vereinten Nationen nichts an", meinte der Sprecher.

Zuvor habe die französische Armee bereits - diesmal in Absprache mit den UN - Hilfsgüter über der Region abgeworfen. Die Bevölkerung sei von Gaddafis Truppen umzingelt gewesen, es habe sich eine humanitäre Krise angebahnt, sagte Burkhard. "Wir haben ihnen geholfen, sich selbst zu verteidigen".

Zu den militärischen Auswirkungen der Waffenlieferung wollte er sich nicht äußern. Das könne nur der libysche Übergangsrat sagen. Doch der schweigt dazu bisher beharrlich. "Kein Kommentar", heißt es in Bengasi.

Eine Lieferung größerer Waffensysteme an die Rebellen mit Schiffen oder Flugzeugen nach Misrata oder Bengasi wäre zwar nach Einschätzung von Beobachtern möglich. Doch von dort aus wäre es immer noch schwierig, die Ausrüstung an Rebellen im Westen und Südwesten zu liefern, die von dort aus den Vormarsch auf die Hauptstadt Tripolis versuchen wollen. Denn das angrenzende Tunesien will unbedingt neutral bleiben. "Tunesien erlaubt niemandem, sein Territorium für Angriffe in Libyen zu benutzen oder von hier aus Waffen zu liefern, weder Oberst Gaddafi, noch den Rebellen oder der Nato", erklärt ein Beamter des Verteidigungsministeriums in Tunis.

Waffenembargo mit Hintertür

Die UN hatten in zwei Resolutionen ein Waffenembargo über die "Libysch-Arabische Dschamahirija" verhängt - und dabei wohl mit Bedacht den von Gaddafi gewählten Staatsnamen benutzt. Die Frage, ob die Alliierten den Rebellen, die ihr Gebilde "Libysche Republik" ("Dschumhurija Libija") nennen, Waffen zukommen lassen dürfen, wurde schon bald recht großzügig ausgelegt.

US-Präsident Barack Obama sprach schon Ende März von der Möglichkeit Waffen nach Libyen zu schicken. Bislang schickten die Amerikaner allerdings nur Schutzwesten und andere sogenannte "nicht-tödliche" militärische Ausrüstung. Offen zeigte sich auch der britische Außenminister William Hague. Bisher hat aber nur das Golf-Emirat Katar zugegeben, dass es den libyschen Aufständischen mit Kriegsmaterial aushilft. Spekulationen über italienische Waffenlieferungen wurden in Rom nicht bestätigt.

Frankreich hat bei seinem Vorpreschen wohl auch innenpolitische Beweggründe gehabt. Und vermutlich darauf gesetzt, dass die Bündnispartner die Aktion im Nachhinein gutheißen - so ähnlich wie nach den ersten französischen Luftangriffen am Stadtrand von Bengasi.

Am 19. Juli muss sich Sarkozy die Zustimmung des französischen Parlaments einholen, wenn der Einsatz verlängert werden soll. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse dürfte die Abstimmung kein Problem sein. Doch aus wahltaktischen Erwägungen - 2012 ist Präsidentenwahl in Frankreich - bemüht sich Sarkozy derzeit, der Opposition möglichst wenige Angriffsflächen zu bieten.

dpa