Samuel Koch sieht nicht aus, als wäre er bereit für einen Fernsehauftritt. Die erste Kamera, die sich auf ihn richtet nach seinem Unfall am 4. Dezember 2010 bei Wetten Dass..?, zeigt ein auf den ersten Blick erschreckendes Bild. Ein junger Mann im Rollstuhl, kurze blonde Haare, kurzer blonder Bart, eingeklemmt in eine Halskrause, angestrengter Blick. Er ist bei Peter Hahne im ZDF zum Interview, dem ersten seit seinem Unfall.
"Eine ganz neue Definition von Zeit und Geschwindigkeit", sagt Samuel Koch, habe er in der Reha erlebt. Die Familie tanzt um sein Krankenbett, nur weil er den kleinen Zeh wieder bewegen kann – für den Wettkandidaten, der vor den Augen von Millionen versucht hatte, über fahrende Autos zu springen, hat sich die Welt verändert.
Aber auf den zweiten Blick ist der junge Mann, der mit Peter Hahne im Interview sitzt, keineswegs erschreckend. Er ist vielmehr beeindruckend. Der Optimismus, denn Samuel Koch ausstrahlt, ist voller Hoffnung und voller Selbstverständlichkeit. Sein Lebensmut ist ungebrochen, trotz des Unfalls. "Lachen macht mehr Spaß als Heulen", sagt er, auch wenn er manchmal mit anderen Patienten in der Schweizer Klinik zusammensitzt und gemeinsam mit ihnen in Selbstmitleid versinkt, "auch wenn das nicht so mein Ding ist". Man hat den Eindruck, er tut das viel mehr für die anderen als für sich.
"Ich atme"
Wo nimmt Samuel Koch die Kraft her, selbst gelähmt im Rollstuhl noch so viel Lebensfreude auszustrahlen? Die Frage stellt Peter Hahne auch. Es ist die Anteilnahme der vielen Menschen, sagt Samuel Koch, die vielen Briefe, und "meine Familie, meine wunderbaren Geschwister und Eltern", die ihm die Kraft gegeben haben. Und dann sagt er, worauf Hahne wartet: "Es sind Gebete, das gemeinsame Bibellesen."
Direkt stößt Peter Hahne nach, hat Samuel Koch vielleicht eine Lieblingsstelle? Koch sagt, er wisse es gerade nicht so genau. Aber Peter Hahne hat natürlich einen Vorschlag: "Es gibt da einen Vers, der immer wieder gern zitiert wird: Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand", und will auch gleich wissen, ob Gott noch bei Samuel Koch war an dem Abend des Unfalls. Es wirkt etwas erzwungen, bitte, sag was über Gott und Jesus und Beten und so.
"Ich atme." Das ist die Antwort, die Samuel Koch in den Raum stellt. Es ist der Moment in dem halbstündigen Interview, in dem die ganze Wucht dessen, was ihm passiert ist, deutlich wird. Was früher selbstverständlich war, ist für Samuel Koch heute etwas besonderes. Und dennoch macht er nicht den Eindruck, an seinem Schicksal zu verzweifeln. "Die Hoffnung aufzugeben kam nicht in Frage", sagt er. "Gott gab uns Atem, damit wir leben", heißt es in dem bekannten Lied – niemand verkörpert dies so sehr wie Samuel Koch, der sein Glück so einfach beschreibt: "Ich atme."
Entschuldigung bei den Zuschauern
Er würde gern mal wieder ins Wasser springen, oder sich einfach wieder an der Nase kratzen. Er beschreibt, wie unangenehm es ist, wenn man die Fliege nicht verjagen kann, die einem nachts in die Nase und die Ohren kriecht. Das ist das Leben, das Samuel Koch heute führt: Gelähmt, ständig umsorgt, abhängig von anderen, selbst beim Essen.
Und dennoch hat ihn die Lebenslust nicht verlassen. Seinen Wetten-Dass..?-Stunt würde er unter den gleichen Umständen nochmal machen. Und Glück und Zufriedenheit sind keine Fremdworte geworden für Samuel Koch: "In dieser unschönen Lage könne ich wesentlich unglücklicher sein", sagt er, der immer an Gott festgehalten hat.
Zum Ende hin wird der Sportler im Rollstuhl noch emotional. Nicht wegen seiner eigenen Lage. Nein, er entschuldigt sich bei den Zuschauern: "Es tut mir Leid, dass so viele Kinder das mit angeschaut haben, diese unschönen Bilder. Es ist mir ein bisschen unangenehm, dass ich die Show kaputt gemacht habe."
Diese Mischung aus Selbstlosigkeit gepaart mit Optimismus, einer ungebrochenen Lebensfreude und dem Festhalten an Gott auch in der dunkelsten Stunde ist es, was dieses Interview erinnerungswürdig macht. Für Samuel Koch, gelähmt im Rollstuhl, eingeklemmt in eine Halskrause, ist das selbstverständich: "Es kann nur noch aufwärts gehen, deswegen freue ich mich auf die Zukunft."
Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de.