Die Grünen folgen dem Atomausstiegs-Projekt der schwarz-gelben Bundesregierung trotz erheblicher Bedenken der Basis und haben damit eine interne Zerreißprobe vermieden. Der Berliner Sonderparteitag gab am Samstagabend den 68 Bundestagsabgeordneten bei am Ende nur wenigen Gegenstimmen grünes Licht, an diesem Donnerstag Ja zur Atomgesetznovelle zu sagen - und damit zu einem Ausstieg innerhalb von elf Jahren. Weitere Gesetze zum Ausbau der erneuerbaren Energien wollen die Grünen ablehnen.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe begrüßte den Beschluss der Grünen: "Natürlich freue ich mich", sagte er der Zeitung "B.Z. am Sonntag". Er schränkte jedoch zugleich ein: "Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer. Der Stresstest für die Grünen kommt erst noch: Beim Bau neuer Netze oder neuer effizienter Gaskraftwerke wird sich zeigen, ob die Grünen bereit sind, auch unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen beim Umstieg in eine neue Energieversorgung mitzutragen - oder ob sie vor Ort weiter den Protest schüren und damit ihr parteipolitisches Süppchen kochen."
SPD befürwortet die Entscheidung, Linkspartei kritisiert sie
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, befürwortete im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa die Entscheidung der Grünen, wie die SPD einen Atomausstieg bis 2022 im Bundestag zu unterstützen. Er warnte zugleich: "Sie werden viele enttäuscht haben, die sich noch mehr erhofft haben." In der Politik-Realität gerate man eben leicht zwischen die Stühle.
Für die Linkspartei wertete Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi den Beschluss des Parteitags kritisch: "Die Grünen verraten ihre grünen Ziele. Da die Grünen einem Ausstieg bis 2022 zustimmen wollen, um sich als koalitionsfähig für die Union zu erweisen, nehmen sie eine Vielzahl von Jahren in Kauf, in denen die Bevölkerung völlig unnötig dem Fukushima-Risiko ausgesetzt bleibt."
Der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer im Bundestag, Thomas Oppermann, kündigte eine rot-grüne Offensive in Sachen Erneuerbare Energien im Fall des Regierungswechsels 2013 an. "Die Vorlagen der Bundesregierung zur Förderung der Erneuerbaren Energien sind nicht befriedigend", sagte Oppermann der "Leipziger Volkszeitung" (Montag). Er habe Verständnis dafür, dass die Grünen diese Gesetze ablehnen wollten.
Keine Bedingungen für die Zustimmung
Die Beschlüsse zum Atomausstieg seien zu begrüßen. Bei den Grünen habe sich "letztlich doch noch die Vernunft durchgesetzt. Das war eine Feuertaufe für die Regierungsfähigkeit der Grünen" und ein gutes Signal für eine rot-grüne Zusammenarbeit ab 2013, sagte Oppermann.
Die schwarz-gelbe Koalition braucht die Stimmen der Grünen am Donnerstag im Bundestag nicht, doch peilt nun auch die Ökopartei einen parteiübergreifenden Konsens an. Den Atomausstieg wollen die Grünen im Grundgesetz verankert wissen. Zuvor hatte es beim Parteitag eine heftige Redeschlacht gegeben. Viele Delegierte wollten ein Nein durchsetzen, weil ihnen der Ausstieg nicht schnell genug geht.
Die Grünen möchten eigentlich bis 2017 das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abschalten. Nun streben sie eine Beschleunigung des Ausstiegs an, falls sie nach der Bundestagswahl 2013 an die Regierung kommen. Forderungen nach Bedingungen für ein Ja konnten sich trotz starken Zuspruchs beim Parteitag nicht durchsetzen.