Horst Krause: "Ich gucke eigentlich lieber Tierfilme"
Vier Jahrzehnte Mord und Totschlag: Die Krimireihe "Polizeiruf 110" flimmerte am 27. Juni 1971 zum ersten Mal über die Bildschirme der ostdeutschen Zuschauer – als Antwort des DDR-Fernsehens auf den wenige Monate zuvor gestarteten "Tatort" der ARD. Jetzt feiert der Krimiklassiker, der nach der Wende als einzige DDR-Sendung neben dem "Sandmännchen" von der ARD für das gesamtdeutsche Fernsehen übernommen wurde, 40. Geburtstag.
24.06.2011
Die Fragen stellte Cornelia Wystrichowski

In der Jubiläumsfolge "Polizeiruf 110: Die verlorene Tochter" (Sonntag, 26.6., 20.15 Uhr, ARD) gibt die 35-jährige Leipzigerin Maria Simon ihr Debüt als neue Potsdamer Kommissarin Olga Lenski. Dabei steht ihr natürlich der urige, vom gleichnamigen Schauspieler gespielte Revierpolizist Horst Krause zur Seite, der schon ihren Vorgängerinnen assistierte.

Herr Krause, warum heißt Ihre Ermittlerfigur in der Krimireihe "Polizeiruf 110" eigentlich genauso wie Sie?

Horst Krause: Krause und Krause sind Zwillinge. Ich spiele den Polizisten seit Mitte der 90er und habe ihn seitdem sehr zu mir herangezogen. Erfunden und benannt hat die Figur aber eigentlich der Regisseur Bernd Böhlich. Ich habe ihn mal gefragt, warum der Polizist so heißt wie ich selber, da hat er
geantwortet: "Du siehst aus wie Krause, und der Polizist sieht auch aus wie Krause – warum sollen wir da den Namen ändern?"

Haben Sie neben Ihrem Namen auch das alte schwarze Motorrad mit dem Beiwagen eingebracht, das Dorfpolizist Krause fährt, sofern es denn anspringt?

Krause: Nein, ich kenne mich mit Motorrädern nicht so gut aus. Und vielleicht bekommt Krause ja bald ein anderes. Eine neue Uniform, einen anderen Hund und eine andere Chefin hat er ja schon.

Die neue Chefin, das ist die von Maria Simon gespielte Kommissarin Olga Lenski, die im Jubiläumsfall ihr Debüt gibt. Sind Sie eigentlich stolz, dass zum 40. Geburtstag der Reihe eine Folge mit Ihnen ausgestrahlt wird?

Krause: Das Wort stolz habe ich aus meinem Wortschatz gestrichen, aber es macht viel Spaß mit der neuen Kollegin! Zwischen Maria Simon und mir gibt es einen großen Altersunterschied, der die Sache interessant macht. Und dann hat sie im Gegensatz zu mir so etwas Quirliges – dieser unterschiedliche Rhythmus ist reizvoll, da kann man viel mit anfangen.

Das DDR-Fernsehen startete den "Polizeiruf" 1971 als Antwort auf den "Tatort". Sie haben damals in der DDR gelebt – haben Sie sich die Krimis aus dem Westen angeschaut?

Krause: Nein. Ich lebte in Dresden und in Chemnitz, arbeitete dort am Theater. Sie wissen Bescheid: das Tal der Ahnungslosen. In der Gegend war das TV-Programm der Bundesrepublik nicht zu empfangen.

Heute wechseln sich die beiden Krimireihen sonntagabends im Ersten ab. Ist am "Polizeiruf" so viele Jahre nach der Wende noch irgendetwas typisch für die neuen Bundesländer?

Krause: Ach, es liegt doch immer sehr am Autor. Ich selber bin Schauspieler und stehe als solcher für meine Figur ein. Und wenn ich von Leuten auf der Straße angesprochen werde, sagen die mir auch nichts zu den Fällen oder was sie davon halten, sondern die sprechen mich an und sagen:
"Herr Krause: Weiter so!" Und dann sage ich: "Danke."

Aber irgendwas muss der "Polizeiruf" ja haben, was andere Krimis nicht haben, sonst hätte er wohl kaum so gute Quoten.

Krause: Für mich bietet der "Polizeiruf" Geschichten, in denen man mehr auf soziale Fälle eingeht und nicht auf irgendwelche angeschafften Sachen, wenn ich das mal so sagen darf. Man beruft sich auf die Wirklichkeit. Deshalb sind die Fälle heute auch anders als früher, denn heute ist die Wirklichkeit ja auch anders. Da schlägt einer den anderen auf dem Bahnhof halb tot, furchtbar.

Hat denn der "Polizeiruf" vor der Wende den Alltag im real existierenden Sozialismus einigermaßen ehrlich widergespiegelt?

Krause: Zu DDR-Zeiten ging es weniger um Mord und Totschlag. Eher mal darum, dass jemand im Betrieb was geklaut hat – und das war schließlich Volkseigentum, damit hat er sich sehr strafbar gemacht.

Sehen Sie sich manchmal alte Folgen an?

Krause: Ganz selten. Ich gucke eigentlich lieber Tierfilme. Was ich nicht mag, sind die ganzen Kochsendungen, obwohl ich gerne esse. Neulich erst habe ich wieder einen großen Eintopf gekocht mit allem drin, was es an Gemüse gibt. Und weil ich sehr viel rohen Schinken esse, hebe ich mir immer die Schwarten auf und mache sie in den Eintopf mit rein, dann schmeckt er nach Rauch. Hmm, lecker!

Herr Krause, wir kommen vom Thema ab! Zurück zum Jubiläumsfall, in dem ein skrupelloser Anzugträger auf Kosten eines Angestellten zu Ruhm und Geld kommt. Das zeigt doch mal wieder, dass der "Polizeiruf" gerne Partei für die kleinen Leute ergreift...

Krause: Ich finde die Geschichte auf jeden Fall sehr interessant, denn es ist ja so, wie man es im Film zeigt: Dass die Reichen auf dem Rücken der kleinen Leute zu ihrem Wohlstand kommen. Denn wie sollen sie sonst reich werden? Reich wird man nur, wenn man eine ganz wahnsinnige Idee hat, die man verwirklicht und die dann bezahlt wird – oder wenn man ungeheuer bescheißen kann. Wieso soll man darüber nicht einen "Polizeiruf" drehen?

Hat sich denn auch etwas zum Positiven geändert, seit Sie in Brandenburg für den "Polizeiruf" vor der Kamera stehen?

Krause: Ich stelle nur fest: Seit ich so ein pflanzliches Arzneimittel mit Ginkgoextrakt nehme, kann ich besser denken. Das könnte ich so manchem Politiker empfehlen. Aber ich will keine Namen nennen! Jedenfalls kann ich mir meinen Text besser merken.

Und ans Aufhören denken Sie deshalb noch nicht? Immerhin werden Sie im Dezember 70 Jahre alt, der Polizist Horst Krause wäre da längst pensioniert.

Krause: Warum sollte ich? Ich mache mir da überhaupt keine Gedanken. Ich spüre, ich werde von einer unsichtbaren Hand geführt, und der folge ich. So einfach ist das.


Horst Krause, 69, wurde 1993 mit der schrägen Kinokomödie "Wir können auch anders" bekannt, seit Mitte der 90er verkörpert der in Brandenburg aufgewachsene Krause im "Polizeiruf 110" den schrulligen Ermittler.

Cornelia Wystrichowski ist freie Journalistin in Berlin.