"Die wundersame Welt der Waschkraft", 1. Juli, 14.45 Uhr auf Arte
Der Sendeplatz ist einigermaßen blödsinnig für einen anspruchsvollen Dokumentarfilm, aber genau genommen weckt der Titel ohnehin falsche Erwartungen. Der Weg, den Tischtücher und Bettlaken aus Berliner Luxushotels nach Polen nehmen, wo sie innerhalb von 24 Stunden gereinigt und wieder zurückgeschickt werden, ist bloß der Einstieg. In erster Linie geht es um Menschen, ihre Hoffnungen, ihre Sorgen, ihre Träume. Das ist zwar nicht verkehrt; aber dafür hätte Hans-Christian Schmid ("23", "Crazy") nicht nach Polen reisen müssen.
Die Arbeit in einer Großwäscherei
Im Zentrum seines Films stehen zwei Frauen, die in Gryfino an der Oder, also knapp hinter der deutsch-polnischen Grenze, in einer Großwäscherei arbeiten. Vermutlich war es nicht leicht, das Vertrauen der Gesprächspartnerinnen zu gewinnen, zumal die Arbeit sie sehr in Beschlag nimmt. Schmid selbst spricht zwar ein paar Brocken polnisch, aber bei Weitem nicht genug, um den Gesprächen folgen zu können; Kameramann Bogumi? Godfrejów und Produktionsleiterin Ma?gorzata Zacharko-Gali?ska gebührt also eigentlich die deutlich größere Anerkennung dafür, die Frauen zum Sprechen gebracht zu haben. Der Rest war Warten, was passiert: Dank der handlichen 16mm-Kamera konnte das Trio die Damen bei ihren Verrichtungen beobachten, in der Wäscherei wie daheim, und hoffen, dass sich etwas ereignet. Wie im Leben der allermeisten Zeitgenossen war das meistens nicht der Fall.
Natürlich ist Schmids Film letztlich am Schneidetisch entstanden (Schnitt: Stefan Stabenow), aber davon abgesehen zeigt er die Wirklichkeit: so wenig spektakulär, unaufgeregt und langweilig, wie sie sich nun mal im Alltag darbietet. Trotzdem ist verständlich, dass Schmid von der Idee unmittelbar angetan war, als er von der täglichen Wäschereise in der Zeitung las: Sie musste ihm vorkommen wie eine vergessene Episode seines Films "Lichter" (2003). In dem Spielfilm mit quasi-dokumentarischen Zügen geht es ja auch um Schicksale rechts und links der Oder. Aber bei aller Hommage an das klassische Doku-Genre des "Direct Cinema", dem Schmid unübersehbar nacheifert: Wenn die Wirklichkeit wirklich so spannend wäre, bräuchte man nicht ins Kino gehen. Und die Szene, in der ein Schwein erschlagen wird, ist in ihrer schockierenden Brutalität schlicht überflüssig.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).