Ein geschwungener Glasbau im Herzen des Brüsseler Europaviertels. Dahinter ein Park mit sanften grünen Hügeln, Spaziergänger füttern Enten am See. Hier residiert der "Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss" (EWSA), gegründet 1957. Seine Aufgabe, laut Eigenbeschreibung: "Er steht den zentralen EU-Organen mit seinem Sachverstand zur Seite."
Doch kürzlich erschütterte eine Schockwelle das Idyll. Das Epizentrum lag im Europaparlament, eben einem jener "zentralen EU-Organe". Die dortige Fraktion der Liberalen würde gerne auf den Sachverstand des EWSA verzichten - und ihn abschaffen. Sämtliche Teile der EU-Verwaltung "müssen signifikant zum demokratischen Entscheidungsprozess und zum Funktionieren der EU beitragen", heißt es unbarmherzig in einem Positionspapier. "Beim EWSA und anderen ist das nicht der Fall."
Der Anlass für die Forderung sind die anstehenden Verhandlungen über die Haushaltsplanung der EU für 2014-2020. Dabei geht es auch um Sparmaßnahmen. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass der EWSA tatsächlich dem Rotstift zum Opfer fällt. Doch die Attacke sorgt für Unwohlsein im Glaspalast.
Sind Dutzende Behörden nötig?
"Der EWSA ist eine einzigartige Brücke zwischen den EU-Institutionen und der organisierten Zivilgesellschaft", verteidigt eine Sprecherin den Ausschuss. "Er versammelt Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Verbraucherschützer, Umweltverbände und viele andere." Deren Meinung sei den Institutionen sehr wichtig. "Wichtige Errungenschaften wie die Europäische Sozialcharta gäbe es ohne den EWSA nicht."
Noch mehr Kritik als am EWSA gibt es an den sogenannten EU-Agenturen. Über 30 solcher Behörden und Strukturen existieren mittlerweile, weitere sind in Planung. Schon im vergangenen Jahr hatte die französische Regierung in Gestalt des damaligen Europa-Staatssekretärs Pierre Lellouche die Kritik befeuert. Er knöpfte sich die noch junge EU-Grundrechteagentur in Wien vor: Was sei der Mehrwert, schimpfte er, wo sich doch auch schon der seit 1949 bestehende Europarat mit Menschenrechten beschäftige?
Ähnlich argumentiert die EU-Parlamentarierin Inge Gräßle (CDU), die Mitglied im Haushaltskontrollausschuss der Volksvertretung ist. "Die EU braucht keine Datensammel-Agenturen", meint sie. Neben der Grundrechteagentur hält sie auch die "Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen" in Dublin für überflüssig. Außerdem bezweifelt sie, dass die EU wirklich zwei Einrichtungen zur Förderung der Berufsbildung braucht - eine in Turin, eine in Thessaloniki.
"Manches hat Sinn"
"Es gibt auch Agenturen, die sich mit hoch sinnvollen Aufgaben beschäftigen", unterstreicht Gräßle. Dabei gehe es etwa um die Sicherheit von Arzneimitteln, von Industriechemikalien oder von Flugreisen. Die Frage sei aber, ob die EU-Kommission in Brüssel solche Tätigkeiten wirklich auslagern müsse. "Die EU bekommt immer mehr parallele Verwaltungsstrukturen, während die EU-Kommission sich selbst als Freizeitpark organisiert", kritisiert die Schwäbin.
Nun bleibt abzuwarten, ob sich in den anstehenden Haushalts-Verhandlungen der EU tatsächlich Sparforderungen durchsetzen. "Ich rechne nicht mit einer Abschaffung ganzer Behörden, aber will zumindest eine Grundsatzdiskussion über schlanke Strukturen", sagt Gräßle. Das Plenum des EU-Parlaments hat kürzlich ein erstes Positionspapier für die Verhandlungen beschlossen. Es sei möglich, "dass es Spielraum für eine Senkung des Verwaltungshaushalts der EU insgesamt gibt", so die Abgeordneten, ohne dabei viel konkreter zu werden.
Mit einer Ausnahme. Diese allerdings ist bemerkenswert: Schon lange steht das Parlament selbst in der Kritik, weil es sich nicht einen, sondern gleich drei Standorte leistet. Jeden Monat fahren Lastwagen mit tonnenweise Akten sowie unzählige Autos zwischen Brüssel, Straßburg und Luxemburg hin und her. Dem könnte ein Ende gemacht werden, meint die Volksvertretung: In ihrem Papier verweist sie auf "die erheblichen Einsparungen, die möglich wären, wenn das Europäische Parlament nur einen einzigen Sitz hätte".