TV-Tipp des Tages: "Tatort: Im Abseits" (ARD)
Nach einem Fotoshooting wird die Frauennationalspielerin Fadime Gülüc erschlagen in der Mannschaftsdusche gefunden. Lena Odenthal und Mario Kopper nehmen die Ermittlungen auf.
17.06.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Im Abseits", 19. Juni, 20.15 Uhr im Ersten

Theo Zwanziger hat ein erstaunliches Netzwerk. Schon zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten zeigt die ARD einen "Tatort", der auf Anregung des DFB-Präsidenten entstanden ist. In dem NDR-Krimi "Mord in der ersten Liga" suchte Charlotte Lindholm nach dem Mörder eine homosexuellen Profis. Exakt eine Woche vor Beginn der Weltmeisterschaft geht es nun um Frauenfußball. "Im Abseits" ist der vielsagende Titel des Films, denn die kickenden Damen werden in der Regel nur dann wahrgenommen, wenn sie die WM gewinnen oder die Hüllen fallen lassen. Dass der Krimi aus Ludwigshafen an diesem Status nicht viel ändern wird, hängt mit einer gewissen Holzschnittartigkeit der Handlung (Buch: Jürgen Werner) und den hölzernen Darbietungen diverser Darsteller zusammen (Regie: Uwe Janson).

Frauenfussball und Integration

Die Geschichte beginnt reizvoll, in jeder Hinsicht: Während die anderen Spielerinnen des ebenso ambitionierten wie fiktiven Vereins FC Eppdorf in herbstlich unwirtlicher Witterung trainieren, muss sich der Star des Teams in verführerischen Posen und schließlich sogar in Dessous am Torpfosten der Kamera darbieten. Kurz drauf wird die Kickerin erschlagen in der Dusche gefunden. Nach dem üblichen Krimischema klappert das Ermittlerduo (Ulrike Folkerts, Andres Hoppe) die verschiedenen Verdächtigen ab. Da gibt es die missgünstige Mannschaftskameradin (Pheline Roggan), den abgelegten Verlobten (Constantin von Jascheroff) und schließlich die ehrgeizige Trainerin (Susanne-Marie Wrage), die mit dem Star nicht klar kam. Da die Tote eine Deutschtürkin ist, bekommt der Titel prompt eine zweite Berechtigung: Die Mutter des Mädchens war strikt dagegen, das Fadime Fußball spielt. Wie schon vor drei Jahren in "Schatten der Angst" behandelt also erneut ein "Tatort" aus Ludwigshafen das Thema Integration.

Etwas überfrachtet wirkt der Film, als es schließlich auch noch um die Seele des Fußballs geht. Sie wird in dieser Geschichte vom Zeug- und Platzwart des Vereins repräsentiert, einer allerdings durch und durch tragischen Figur: Steffen Rennert hat sein Dasein komplett auf den Club ausgerichtet, weil er sonst nichts hat im Leben. Michael Lotts sparsam dosierte Verkörperung dieser stillen Verzweiflung ist derart herausragend, dass er seine Mitspieler regelmäßig zu Statisten degradiert.

Ein Glücksfall ist dagegen Filiz Koc. Die frühere deutschtürkische Zweitligakickerin hat auch für die türkische Nationalmannschaft gespielt und ist eine ausgezeichnete Besetzung, zumal sie mit ihrer Attraktivität für das Dilemma dieses Sports steht: Die Frauen wollen als Fußballerinnen ernst genommen werden, aber alle erwarten, dass sie buchstäblich ihre Haut zu Markte tragen. Die entsprechende Kritik wird im Film allerdings mitunter recht steif vorgetragen. Auch die männlichen Vorbehalte gegen den Frauenfußball klingen aufgesagt.

Ohnehin muss für Zuschauer mit Fußballresistenz ziemlich viel erklärt werden. Dass schließlich DFB-Boss Zwanziger höchst selbst mitwirkt und zudem die Herren Löw und Bierhoff sowie die Damen Steffi Jones (Präsidentin des Organisationskomitees für die Frauen-WM) und Celia Okoyino da Mbabi (aktive Nationalspielerin) mitbringt, zeigt, welche Bedeutung der DFB dem Film bemisst.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).