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Basierend auf Ihren Beobachtungen der vergangenen Wochen: Welche psychischen Auswirkungen hat die Auseinandersetzung mit einer EHEC-Erkrankung auf die Patienten?
Schulz-Kindermann: Bei den Patienten, die psychisch belastet sind, ist es ein bestimmendes Gefühl die Hilflosigkeit, resultierend aus einem erheblichem Kontrollverlust. Viele Patienten waren junge, kerngesunde, gesundheitsbewusste Menschen, die mitten im Leben standen - im nächsten Moment erlebten sie sich als schwer krank. Niemand konnte ihnen zu Beginn der Epidemie genau sagen, wie die weitere Entwicklung sein wird.
Wie viele Patienten leiden darunter?
Schulz-Kindermann: Die meisten Patienten und Angehörigen sind erstaunlich stabil geblieben. Ein kleinerer Teil - nicht selten auch die, die bereits vor EHEC mit unterschiedlichen Ängsten zu tun hatten - konnte durch psychologische Hilfe gestützt werden, um etwa Panikattacken und massiven Ängsten entgegenzuwirken. Mittlerweile unterstützen sich viele Betroffene gegenseitig, besuchen sich in den Zimmern und erzählen sich ihre positiven Entwicklungen.
Können psychische Folgeerkrankungen entstehen?
Schulz-Kindermann: Das ist zurzeit nicht abschätzbar, aber diese Möglichkeit besteht. Die Erfahrung anhaltenden fehlenden Körperkontakts kann die Betroffenen noch eine Weile psychisch begleiten. Am deutlichsten ist das bei Familien, in denen es mehrere Betroffene gibt und die sich dann eine Zeit lang nicht gegenseitig besuchen und stützen können.
Foto: dpa / Bodo Marks
Welche psychischen Auswirkungen hat die EHEC-Krise auf Ärzte und Pflegepersonal?
Schulz-Kindermann: Für die Mediziner und Pflegenden war es eine besondere Herausforderung, mit so vielen jungen, kräftigen Patienten und ihren besorgten Angehörigen konfrontiert zu sein. Ihre körperliche und psychische Kapazität wurde aufs Äußerste beansprucht. Bei alledem haben sie bewundernswert professionell, hochengagiert und kooperativ gehandelt.
Was raten Sie Betroffenen?
Schulz-Kindermann: Allgemein: Ihre Ressourcen nutzen. Sicherheit wiedergewinnen, dass es auf jeden Fall etwas gibt, auf das sie sich stützen können. Sie sollten sich wieder anderen zuwenden - sei es ihren Nächsten und wenn notwendig Psychologen oder anderen professionellen Helfern. Dabei die eigenen Grenzen beachten und sich nicht überfordern.