Ein bisschen Hoffnung: Impfstoff gegen Dengue in Sicht
Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Ausschlag: Das sind nur einige der leichteren Begleiterscheinungen des Denguefiebers. Millionen Menschen erkranken jedes Jahr daran. Gegen das sogenannte Knochenbrecherfieber gibt es bisher kein Mittel, lediglich die Symptome können behandelt werden. Nun aber gibt es einen Impfstoff, und in den südostasiatischen Ländern steigt das Bewusstsein für die Gefahr der Krankheit.
16.06.2011
Von Michael Lenz

Ratchaburi ist Bilderbuchthailand. Berge, Tropfsteinhöhlen, Wälder und alte Tempel ziehen jedes Wochenende viele Besucher aus dem nur 80 Kilometer entfernten Bangkok in die Provinz an der Grenze zu Birma an. Hauptattraktion für die Touristen sind die schwimmenden Märkte in Damnoen Saduak. Jetzt wird in Ratchaburi Medizingeschichte geschrieben. In der Provinz findet der erste Großversuch mit einem Impfstoff gegen die gefährliche und im äußersten Fall lebensbedrohliche Infektionskrankheit Dengue statt.

Von Moskitos übertragen

Dengue ist eine der großen Geißeln der Menschheit. Wie auch Malaria wird Dengue von Viren ausgelöst, die von Moskitos übertragen werden. Genau genommen von den Moskitoarten mit den hübschen lateinischen Namen Aedes Aegypti und Aedes Albopictus, die vier verschiedene Serotypen der Viren in ihrem Arsenal haben. In den gemäßigteren Klimaregionen unserer Welt kommen diese Moskitos kaum noch vor. Aber in den vergangenen Jahrzehnten haben sie sich alle tropischen Teile der Welt erobert.

Weltweit leben gut 2,5 Milliarden Menschen oder zwei Fünftel der Menscheit in denguegefährdeten Gebieten, 1,8 Milliarden davon alleine in Südostasien und Indien. 220 Millionen Menschen werden jedes Jahr mit den Dengueviren infiziert, bis zu 100 Millionen erkranken nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO an milden Formen des Denguefiebers. Zwei Millionen aber entwickeln das schwere hämorrhagische Fieber, das in 2,5 Prozent der Fälle tödlich endet. "Kinder erkranken am häufigsten am hämorrhagischen Fieber“, sagt Arunee Sabchareon, Leiterin der Dengueimpfstoffstudie in Ratchaburi.

Gegen Dengue ist kein Kraut gewachsen. Behandelt werden können nur die Symptome. Weder gibt es bisher einen Impfstoff noch eine ursächliche Heilung der Krankheit. Das einzige Mittel gegen Dengue ist Prävention. Aber das ist leichter gesagt als getan. Regenzeit ist Denguezeit. Stehende Gewässer, Pfützen auf der Straße oder auf Baustellen, Wasser in alten Autoreifen, in achtlos weggeworfenen Dosen, in Kokosnussschalen bieten im feucht-tropischen Klima ideale Brutbedingungen für die Moskitolarven. Zwar gibt es in all den asiatischen Ländern Programme zur Dengueprävention, aber sie werden – wenn nur überhaupt – halbherzig durchgesetzt. "Es fehlt der politische Wille", klagt Duane Gubler, einer der profiliertesten Dengueexperten der Welt.

Epidemien immer häufiger

Seit Ende der 1950er Jahren kommt es immer häufiger zu immer größeren Dengueepidemien. Die Viren haben sich von Südostasien aus globalisiert. "Hunderte Millionen Menschen fliegen jedes Jahr um die Welt", sagt Gubler. "1950 gab es 68 Millionen Flugreisende, 2010 waren es etwa zwei Milliarden und das Moskito reist mit." Eine weitere Ursache für die großen Dengueausbrüche sieht Gubler in der Urbanisierung. "Immer mehr Menschen ziehen in die großen Städte", betont der Forscher. "Schauen Sie sich Jakarta an. Vor über 40 Jahren lebte dort vielleicht eine Million Menschen. Heute sind es mehr als 20 Millionen. Ein Großteil davon lebt in Slums mit ihren katastrophal schlechten hygienischen Bedingungen."

Jetzt aber gibt es mit dem Impfstoff, der von Forschern des Pharmakonzerns Sanofi Pasteur in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universitäten der Dengueländer entwickelt wurde, erstmals Hoffnun, sich vor Dengue schützen zu können. An der 2009 gestarteten Wirksamkeitsstudie sind weltweit in 15 Ländern 45.000 Probanden beteiligt. Alleine in Ratchaburi sind es 4.000 Kinder im Alter zwischen vier und elf Jahren. Die Doppelblindstudie – 2.608 Personen erhalten den Impfstoff, 1.334 in der Kontrollgruppe nicht - ist langwierig. Die Kinder müssen im Abstand von sechs Monaten drei Mal geimpft werden. "Der Körper braucht bei einem Lebendimpfstoff viel zeit zur Produktion von Antikörpern", erklärt Arunee Sabchareon, die an der Fakultät für Tropenmedizin der Mahidol Universität in Bangkok arbeitet. Bisher ist die Expertin mit dem Verlauf der Studie zufrieden. "Es sind bisher keine besonderen Nebenwirkungen aufgetreten."

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Erste Ergebnisse der Studie in Ratchaburi werden für Ende 2012 zu erwartet. Sind diese zufriedenstellend, könnte in den Versuchsländern schon 2015 der Impfstoff auf den Markt kommen. "Der Zeitpunkt Markteinführung wird dann wesentlich von der Schnelligkeit der nationalen Zulassungsverfahren abhängen", sagt Jean Lang, Leiter des Dengueimpfstoffprogramms von Sanofi Pasteur. Aber schon jetzt bereiten sich Sanofi Pasteur und die Wissenschaftler auf die nächsten großen Herausforderungen vor. Der Pharmakonzern hat zur Massenproduktion des Dengueimpfstoffes in Frankreich bereits mit dem Bau einer Produktionsanlage begonnen, die spätestens 2014 betriebsbereit sein und eine Kapazität von einer Million Impfstoffdosen pro Jahr haben wird.

Die größte Herausforderung ist aber die Frage, wie der Impfstoff den Betroffenen zugänglich gemacht werden kann. Auch wenn sich Sanofi über den Preis des Medikaments noch in Schweigen hüllt, ist es keine Frage, dass sich die Mehrheit der Menschen in den Dengueländern, die samt und sonders zu den Entwicklungs- und Schwellenländern gehören, den rettenden Dengueimpfstoff nicht werden leisten können. "Wir brauchen dafür eine öffentlich-private Partnerschaft", sagt Gubler und fügt hinzu: "Leider gibt es für Dengue kaum ein öffentliches Problembewusstsein wie es in den letzten Jahren für Krankheiten wie Aids, Malaria und Tuberkulose entstanden ist."

Erstmals ein "Denguetag"

Einen ersten Schritt zu Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für das Dengueproblem ist der erste "Denguetag", zu dem die ASEAN-Staaten den 15. Juni erklärt haben. Am gestrigen Mittwoch fand er zum ersten Mal statt. Ähnlich wie der jährliche Welt-Aids-Tag am 1. Dezember soll von nun an jedes Jahr mit Aktionen und Medienkampagnen Aufmerksamkeit für Dengue und die Betroffenen der Viruserkrankung geschaffen und bei Menschen, Unternehmen, Regierungen die Spendenbereitschaft geweckt werden.

Geld wird benötigt zur Finanzierung der Impfkampagnen, aber auch für Präventionskampagnen. Denn eines ist schon jetzt klar: Ein Impfstoff ist keine Beruhigungspille. Arunee Sabchareon schätzt, dass es mindestens fünf Jahre dauern wird, bis 70 Prozent der 60 Millionen Thailänder gegen Dengue geimpft sein werden. Unklar ist zudem, wie effektiv der Impfstoff sein wird. Sabchareon sagt: "Ich persönlich glaube nicht, dass er hundertprozentigen Schutz bieten wird." Dengue bleibt eine gefährliche Gesundheitsbedrohung und Prävention die Hauptwaffe dagegen.


Michael Lenz arbeitet als freier Journalist in Südostasien und schreibt regelmäßig für evangelisch.de.