Der Unterschied zwischen "Frauenfußball" und "Fußball"
Ist Frauenfußball dieselbe Sportart wie Männerfußball? Trainer und Geschlechterforscher meinen, Unterschiede gebe es vor allem in der Geschwindigkeit, während die Technik von beiden Geschlechtern gleich gut beherrscht werde. Doch Frauen würden auf dem Spielfeld ganz anders wahrgenommen als Männer.
16.06.2011
Von Sebastian Stoll

Eigentlich klingt das Wort ganz selbstverständlich - betrachtet man es genauer, wirft es aber plötzlich viele Fragen auf. Denn: Frauenfußball, was ist das eigentlich? "Die Frage ist auch immer: Reden wir über Frauen, die Fußball spielen oder reden wir über Frauenfußball?", stellt die Geschlechterforscherin Marion Woelki in den Raum. "Im Ski-Sport spricht man beispielsweise ganz selbstverständlich von einer 'Abfahrt der Damen' und einer 'Abfahrt der Herren' und nicht von einer Damen- und Herrenabfahrt." Das lege nahe, dass Frauenfußball als ganz eigene Sportart wahrgenommen werde.

"Frauen kicken anders?!" ist der Titel der Vortragsreihe, die Woelki gemeinsam mit einigen Kollegen an der Universität Konstanz initiiert hat - nicht ganz zufällig über weite Strecken parallel zur Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland (26. Juni bis 17. Juli). Herausfinden wollen die Teilnehmer, ob Frauen, die miteinander Fußball spielen, dabei "Fußball" spielen oder "Frauenfußball". Ob sie also dieselbe Sportart praktizieren wie die Männer - oder ihre eigene, die ganz anderen Gesetzen gehorcht und andere Anforderungen stellt. 

"Zwar langsamer, aber fairer"

Dass es Geschlechtsunterschiede auf dem Fußballplatz gibt, ist für Dirk Huterer offensichtlich. Der Mädchenkoordinator des FC Konstanz begrüßt diese Unterschiede und für ihn ergeben sich daraus Konsequenzen. "Technik und Passspiel beherrschen Frauen genau so gut wie Männer, aber an Geschwindigkeit und Schnellkraft werden sie im Vergleich immer schwächer abschneiden. Das führt zu einem ganz anderen Spiel." Und zwar zu einem, das Huterer gefällt: Frauenfußball sei zwar etwas langsamer, aber gleichzeitig viel fairer. "Dadurch ergibt sich die Chance, mehr über Technik und Kombinationsfußball zu kommen."

Nur: Man muss diese Chance auch nutzen. Nach wie vor bekommen viele fußballspielende Mädchen und Frauen nicht die Gelegenheit, ihr Potenzial zu entwickeln, findet Huterer. Den Grund dafür sieht er in einem Strukturdefizit: "Die fehlende Konkurrenz ist ein großes Problem", betont er. "In der Bundesliga marschieren drei oder vier Mannschaften vorne weg, der Rest ist Mittelmaß." Das sei für die Attraktivität der Liga nicht besonders gut.

Erschlossen werden könne das Potenzial der Mädchen nur dadurch, dass man ihnen einen eigenen Zugang zum Fußball bietet - nämlich einen frühzeitigen, betont der Trainer. Mädchen müssten früher mit dem Ball in Berührung kommen. "Später müssen sie dann im Verein erst einmal an den Fußball herangeführt werden, während sich Jungs einfach den Ball schnappen." Komme ein Mädchen erst spät zum Fußball, sei ihr Können weit weniger ausgeprägt als bei Frühanfängern - was in Mannschaften die Leistungsfähigkeit der ganzen Gruppe beeinflusse.

Klischees gibt es nach wie vor im Männerfußball

"Im Mädchenfußball gibt es eine viel größere Bandbreite an Können", fügt Huterer hinzu. "Das ist eine Herausforderung für einen Trainer, denn er muss viel differenzierter Arbeiten, mit viel mehr Fingerspitzengefühl" sagt Huterer. Daher müssten mehr Fördergelder in die Ausbildung von Trainern fließen. "Das Training der Jungen kann man nicht einfach übernehmen."

Frauenfußball ist etwas Eigenes, das zeigt sich nicht nur an der Art des Spiels - sondern nach Ansicht der Geschlechterforscherin Woelki auch an der öffentlichen Wahrnehmung der Spielerinnen: "Früher gab es vor allem das Bild des fußballspielenden Mannweibes", sagt sie. Das habe sich geändert - während es im Männerfußball nach wie vor Klischees gebe, allerdings dahingehend, wie ein Fußballspieler nicht sein darf: schwul.

Die Emanzipation vom Klischee, welche dem Männerfußball erst noch bevorsteht, haben die Frauen längst schon geschafft. Kein Sieg eigentlich, sondern eine Selbstverständlichkeit. "Die Frauen nehmen ihr Spiel nicht als emanzipatorischen Akt, sondern wollen spielen", sagt Woelki.

epd