Außenminister Guido Westerwelle hat vor einer Eskalation des Nahost-Konflikts gewarnt, falls der Friedensprozess nicht bald wieder in Gang kommt. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir hier im Nahen Osten nicht in eine sehr gefährliche Sackgasse geraten", sagte er am Dienstag in Jerusalem. "Es ist ganz klar, dass die Zeit gegen alle arbeitet." Sprachlosigkeit und Stillstand bei den Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern könnten sehr schnell wieder zu Gewalt führen.
Westerwelle war am Montagabend nach einem Blitzbesuch in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi zusammen mit Entwicklungsminister Dirk Niebel in Jerusalem eingetroffen. Während der Außenminister am Dienstag Gespräche mit israelischen und palästinensischen Regierungsvertretern führte, besuchte Niebel den Gazastreifen und forderte dort ein Ende der Blockade des palästinensischen Gebiets. Zugleich verlangte er von militanten Palästinensergruppen, die Waffenruhe mit Israel einzuhalten.
Aufruf: Auf einseitige Schritte verzichten
Westerwelle traf in Ramallah den palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fajad, in Jerusalem standen anschließend Gespräche mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman auf seinem Programm. Der Nahost-Friedensprozess liegt seit langem auf Eis. Die Palästinenser haben damit gedroht, im September bei der UN-Vollversammlung die Anerkennung eines eigenen Staates zu beantragen, falls es bis dahin keine Verhandlungserfolge gibt. Westerwelle rief die Konfliktparteien dazu auf, auf solche einseitigen Schritte zu verzichten. Das gelte genauso für den Siedlungsbau der Israelis. "Das alles würde eher die Gefahr einer Eskalation vergrößern."
Fajad ging nach seinem Treffen mit Westerwelle auch auf Nachfrage nicht näher auf die palästinensischen Drohungen ein. Ziel sei ein souveräner palästinensischer Staat, sagte er lediglich. Es werde im September in New York eine UN-Vollversammlung stattfinden, "und wir werden dabei sein".
Niebel: "Deutschland wird den Gazastreifen nicht vergessen"
Westerwelle rief ausdrücklich auch Netanjahu, der kürzlich in einer Rede vor dem US-Kongress eine harte Linie in dem Konflikt vertreten hatte, zur Kompromissbereitschaft auf. "Mit einer harten Linie mag man innenpolitisch punkten können, aber die Lage wird dadurch nicht besser."
Der Außenminister sprach sich für ein baldiges Treffen des Nahost-Quartetts aus USA, EU, UN und Russland aus. Zum französischen Vorschlag einer großen Nahost-Friedenskonferenz in Paris noch vor Ende Juli äußerte er sich skeptisch. Eine solche Veranstaltung sollte man nur abhalten, "wenn es eine realistische Chance auf Fortschritte gibt".
Niebel besuchte im Gazastreifen deutsche Entwicklungshilfeprojekte wie das Klärwerk in Scheich Adschlin. "Deutschland wird den Gazastreifen nicht vergessen", versprach er. Am Abend wollten die beiden FDP-Minister nach Deutschland zurückkehren. Bereits am Mittwoch bricht Westerwelle zu seiner nächsten Auslandsreise auf - in den Sudan.