Wissenschaftler haben erste Beweise für Sprossen als Quelle des gefährlichen Darmkeims geliefert. Doch nach dem Aufatmen stellen sich weiter einige wichtige Fragen.
Sind Sprossen sicher Auslöser der EHEC-Epidemie?
Nein. Der EHEC-Erreger an den Sprossen vom Biohof in Bienenbüttel ist zwar exakt vom selben Typ wie der Darmkeim, an dem mehr als 30 Menschen in Deutschland gestorben sind. Das sagte der Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums, Holger Eichele, am Samstag in Berlin der Nachrichtenagentur dpa. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe bestätigt, dass es sich um das Bakterium O104:H4 handelt.
Die Forscher in NRW haben jedoch ermittelt, dass die EHEC-Bakterien vom Erregertyp O104 sind. Der grassierende Keim hat allerdings die vollständige Bezeichnung O104:H4. H steht dabei für Eigenschaften der Geißeln (Flagellen), mit denen sich die Bakterien fortbewegen. Das exakt zu bestimmen, dauert noch.
Ist die Quelle bestimmt, wenn der Erregerfund bestätigt wird?
Nein, denn offen bleibt, wie die Bakterien an die Sprossen kamen. Eine Theorie kreist um eine Mitarbeiterin des Biohofs im niedersächsischen Bienenbüttel, die an EHEC erkrankt ist. Sie könnte - wie vermutlich andere Patienten - Sprossen gegessen und sich infiziert haben. Denkbar ist aber auch, dass sie aufgrund einer anderen Quelle erkrankte und die Keime erst in Betrieb schleppte und Pflanzen oder Wasser verseuchte.
Das Saatgut, mit dem der Gartenbaubetrieb züchtet, stammt nach Angaben von Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) aus vielen Ländern weltweit. Möglicherweise wurden die Samen im Ausland infiziert und der Erreger blieb in den anwachsenden Sprossen.
Einige Experten vermuten als Ursprung Tiere, weil die in der Regel EHEC-Bakterien im Darm haben. Andere halten es für möglich, dass Menschen Hauptträger der speziellen Bakterien sind. "Der sich jetzt ausbreitende Erreger ist bislang nur beim Menschen nachgewiesen worden", sagte Prof. Helge Karch vom Universitätsklinikum Münster.
Sind Sprossen die einzigen EHEC-Träger?
Vermutlich, da offiziellen Angaben zufolge viele Lieferwege von möglichen Orten, an denen sich EHEC-Patienten infiziert haben könnten, zum Hof in Bienenbüttel führen. Zum ersten Mal wurde in NRW die Indizienkette von Erkrankten zu dem Sprossenproduzenten belegt.
Dagegen spricht, dass bei den Befragungen des Robert Koch-Instituts einige Patienten angaben, keine Sprossen gegessen zu haben - oder sich nicht mehr daran erinnern konnten.
Nach EHEC-Fällen infolge einer Familienfeier in Niedersachsen, steht zudem eine Cateringfirma aus dem Kreis Kassel im Visier der Fahnder. Da der Caterer den Angaben nach keine Sprossen liefert, vermuten die Behörden, dass der Darmkeim von Menschen auf Lebensmittel zurückübertragen wurde. "Es besteht die Möglichkeit, dass sich Mitarbeiter zunächst selbst infiziert und danach den Keim wieder auf Lebensmittel übertragen haben", sagte Markus Schimmelpfennig vom Kasseler Gesundheitsamt.
Angesichts von mehr als 4000 nachweislich oder möglicherweise an EHEC erkrankten Menschen allein in Deutschland könnten die oder alle Quellen bis zuletzt offen bleiben.