Eon fährt Isar I nicht wieder hoch und kritisiert Merkel
Eon will zwar Entschädigungen für den vorzeitigen Atomausstieg, verzichtet aber auf das Wiederanfahren von Isar I und Unterweser. Eine Herkulesaufgabe nennt Kanzlerin Merkel den Atomausstieg bis 2022. Der Opposition zieht Merkels Kehrtwende die Schuhe aus.
10.06.2011
Von Georg Ismar und Tim Braune

Der größte deutsche Energiekonzern Eon will seine Kernkraftwerke Isar I und Unterweser nach Ende des Atommoratoriums kommende Woche nicht wieder anfahren. Auch ohne ausdrückliche Verfügung werde man die Anlagen nicht wieder in Betrieb nehmen, kündigte Eon als erster Atomkonzern am Donnerstag an. Rechtlich wäre ein Wiederanfahren der Eon-Meiler in Bayern und Niedersachsen möglich, da das Atomgesetz mit der Stilllegungsverfügung frühestens Mitte Juli in Kraft treten kann. Die Opposition rechnete im Bundestag mit der Atomwende von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab.

Ein Eon-Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die zuständigen Behörden und die Übertragungsnetzbetreiber werden darüber informiert." Die Regierung und die im Bundestag vertretenen Parteien hätten deutlich gemacht, dass die im Zuge des Moratoriums verfügte vorübergehende Stilllegung der sieben ältesten Kernkraftwerke und von Krümmel fortdauern soll, bis ein neues Atomgesetz in Kraft trete. "Diesen klaren politischen Mehrheitswillen setzen wir um."

Mehr als 500.000 Euro Gewinn täglich

Infolge des Moratoriums hat Eon rund 250 Millionen Euro verloren. Pro Tag lässt sich mit einem abgeschriebenen AKW abzüglich der Atomsteuer mehr als eine halbe Million Euro verdienen. Unabhängig von der Entscheidung am Donnerstag werde man aber die durch das neue Atomgesetz entstehenden Vermögensschäden geltend machen, betonte Eon.

Zwischen 15. und 17. Juni läuft das nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima von der Regierung verkündete dreimonatige Moratorium aus. Mit dem neuen Atomgesetz, das frühestens bis zum 8. Juli Bundestag und Bundesrat passiert haben wird, soll das endgültige Aus der acht Meiler beschlossen werde.

Im Bundestag entbrannte am Donnerstag ein heftiger Schlagabtausch über die Atompolitik von Union und FDP. Gleichwohl können sich SPD und Grüne vorstellen, den Ausstieg bis 2022 mitzutragen, weil die Koalition auf den zehn Jahre alten rot-grünen Ausstiegsbeschluss weitgehend zurückgreift. Merkel sagte in einer Regierungserklärung: "Es handelt sich um eine Herkulesaufgabe. Ohne Wenn und Aber." Sie begründete ihre Kehrtwende mit der veränderten Lage durch die drei Kernschmelzen in Japan. "Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert", betonte die Physikerin Merkel.

Grüne: "Spät, aber richtig"

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Kanzlerin vor, unaufrichtig zu sein. "Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet Sie sich hier hinstellen als die Erfinderin der Energiewende in Deutschland. Das zieht einem doch die Schuhe aus", sagte Steinmeier. "Eins werde ich nicht vergessen: Mit welchen Hetzreden Sie uns vor zehn Jahren durch die Lande gejagt haben", betonte er mit Blick auf die Debatte über den rot-grünen Atomausstieg.

Steinmeier fügte hinzu: "Jetzt wird das Konrad-Adenauer-Haus außen und innen grün angestrichen." Er signalisierte die Bereitschaft der SPD, die geplante Änderung des Atomgesetzes mitzutragen, da diese auf den rot-grünen Beschluss zurückgehe.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte die Ausbauziele von Union und FDP bei den erneuerbaren Energien als zu gering, lobte aber den Lerneffekt. "25 Jahre nach Tschernobyl zieht jetzt auch die CDU aus Fukushima Konsequenzen. Das ist spät, aber es ist richtig." Acht Kernkraftwerke sollen nach dem Willen der Regierung sofort stillgelegt werden. Die anderen neun Anlagen sollen schrittweise von 2015 bis Ende 2022 vom Netz gehen. Bisher hatte Atomstrom einen Anteil von rund 22 Prozent an der deutschen Stromproduktion.

Bürger müssen beim Netzausbau mitmachen

Für Merkel ist die Energiewende hin zu mehr Ökostrom nur möglich, wenn Bürger und Parteien beim Netzausbau mitziehen. Mit dem neuen Netzausbaubeschleunigungsgesetz sollten Planungen beim Bund gebündelt und für Offshore-Windparks Sammelanbindungen garantiert werden.

Die erneuerbaren Energien sollten insgesamt schneller marktfähig werden, sagte Merkel. Die von den Verbrauchern über den Strompreis zu zahlenden Kosten sollen langfristig sinken. Die Regierung wolle bis 2020 einen Ökostromanteil von 35 Prozent. "Wir können als erstes Industrieland der Welt die Wende zum Zukunftsstrom schaffen."

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) appellierte an die Grünen, die alten Schlachten hinter sich zu lassen. "Wir sind entschlossen, den gesellschaftlichen Konsens, den es in Deutschland gibt, (...) zu realisieren." Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betonte, deutsche Ökostromtechnik könne zum Exportschlager werden. Die Strompreise würden moderat steigen. Er kalkuliert mit einem Aufschlag von jährlich 30 bis 40 Euro pro Vier-Personen-Haushalt.

Energiewende und Atomausstieg werden den Bund nach Berechnungen von Haushältern bis 2015 rund acht Milliarden Euro kosten. Das teilte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), in einem Brief an seine Fraktionskollegen mit.

dpa