TV-Sendung macht "Böhmische Dörfer" bekannt
Ein deutsch-tschechisches TV-Projekt gewinnt Ansehen und steht doch vor dem Aus. Die Finanzierung des TV-Magazins "5 Minuten Sachsen. 5 Minuten Böhmen" läuft Ende des Jahres aus und ein neuer Geldgeber ist noch nicht gefunden. Dabei helfen die Sendungen, Missverständnisse und Vorurteile abzubauen. Gerade grenzübergreifende Themen und Alltagsgeschichten aus dem Nachbarland fördern eine gegenseitige Akzeptanz.
10.06.2011
Ralf Siepmann

Die Geschichte begann in den 70er Jahren mit einem Baggerfahrer. Weil der erkrankte, blieben in dem Dorf Zubrnice bei Ústí eine Kirche und ein einzigartiges Fachwerkhaus vom Abriss verschont. Die historischen Bauten sind heute Kernstücke des Freilichtmuseums Zubrnice, das mit einmaligen Zeugnissen deutsch-tschechischer Mischkultur Besucher anlockt.

Diesseits der Grenze ist das Deutsche Landwirtschaftsmuseum im sächsischen Schloss Blankenhain eine Art Pendant. Mit seiner einzigartigen Ausstellung der ländlichen Lebens- und Arbeitswelt früherer Zeiten gilt es als größtes Freizeitmuseum in Ostdeutschland und attraktives Ziel für Ausflügler.

Vor allem Grenzübergreifende Themen interessieren

Die beiden Zeugnisse einer eindrucksvollen mitteleuropäischer Geschichte sind Thema der aktuellen, der 37. Ausgabe von "5 Minuten Sachsen. 5 Minuten Böhmen" (tschechisch „5 minut Cesko. Sasko“). Sie wird in der deutschen Variante mit tschechischen Untertiteln über die Senderkette des regionalen TV-Veranstalters Sendernetz, in der tschechischen Variante über den Sender R1 Lyra mit deutschen Untertiteln ausgestrahlt. Beide Versionen sind ferner auf You Tube und www.5min-online.eu präsent. "Gerade in der Grenzregion", erläutert Mike Bielagk die Hauptintention dieses einmaligen Projekts, "gibt es ein großes Interesse an grenzübergreifenden Themen und an Alltagsgeschichten aus dem Nachbarland."

Der 44-jährige Bielagk, Sendernetz-Gründer und einer der Pioniere des Lokalfernsehens in Sachsen, betreibt seine Aktivitäten von Grünhain-Beierfeld im Erzgebirge aus. Mit dem TV-Magazin hat er sich dem Ziel verschrieben, etwas Konstruktives gegen die "Böhmischen Dörfer" von heute zu tun. Mit diesem Begriff wurden ursprünglich in der Donaumonarchie Österreich-Ungarn Orte in Böhmen mit tschechischen Namen bezeichnet, die deutschsprachigen Durchreisenden fremd erschienen.

Das TV-Magazin hilft innere Grenzen abzubauen

Obwohl sich Sachsen und Tschechen in ihrer leidvollen Geschichte noch nie so nah gewesen seien und die Grenze noch nie so offen, "gibt es auf beiden Seiten ein großes Informationsdefizit", unterstreicht Bielagk. Er wisse sich jedoch mit seinen Partnern auf der anderen Seite auf einem guten Weg, Missverständnisse und Vorurteile abzubauen.

Dazu trügen Themen wie Rentenversicherung, Freizeitangebote oder Minderheiten in Medien der Region bei, die für Zuschauer hüben wie drüben wichtig seien. Nicht zuletzt falle das wachsende Interesse an der jeweils anderen Sprache ins Gewicht.  "Uns war die Präsenz des Tschechischen, das hier so nah und doch so fern ist, sehr wichtig. Umso mehr freuen wir uns, dass es uns gelungen ist, der tschechischen Sprache im sächsischen Regionalfernsehen in kleinem Maße Akzeptanz zu verschaffen", zieht Bielagk Bilanz. Auch die tschechischen Reaktionen auf die Sendungen zeigten die Aufgeschlossenheit für die andere Seite.

Gemeinsames Arbeiten fördert die Akzeptanz

Sendernetz e.V. und der Kulturverein Evropan (Der Europäer) in Decin (Tetschen), Ausrichter europäischer Film- und Fernsehprojekte, sind die Partner des am 1. Juli 2010 mit einer Laufzeit von 18 Monaten gestarteten Projekts. Es ist von der EU über den regionalen Fördertopf "Ziel3" mit 600.000 Euro ausgestattet worden. Die Sächsische Aufbaubank (SAB) ist Verwalter der Fördermittel. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Sachsens mit seinen Nachbarn Tschechien und Polen ist "5Minuten" das erste Medienprojekt auf der Liste der "Ziel3"-Förderungen.

Politisch betrachtet, richtet sich der Gesamtansatz auf eine Verbesserung der Verständigung innerhalb der Region. Es soll eine "mediale Belebung der Grenzregion" und eine "Schnittstelle zwischen beiden Nationen" geschaffen werden. Womöglich ist dies am besten bislang im Binnenverhältnis der Partner erreicht worden. "Die stärkste Annäherung findet durch gemeinsames Arbeiten statt", resümiert Bielagk. "5Minuten"-Projektmanagerin Pavla Ruzickova sagt in Interviews über die monatlichen gemeinsamen Redaktionssitzungen: "Die Zusammenarbeit ist gut. Wir helfen uns gegenseitig, tauschen Bildmaterial aus." Es gebe auch keinerlei Sprachbarrieren. Man kommuniziere per E-Mail aus – "mitunter in einer bunten Mischung aus Tschechisch und Deutsch".

Bürokratie und Geldsorgen erschweren die Arbeit

Die bilaterale Kooperation finde bei Zuschauern via TV und Web großen Anklang, versichern beide Seiten. Auch aus Politik, Wirtschaft und Kultur gebe es Zustimmung. Und doch liegt über "5 Minuten" ein Schatten. Ein Grund sind Bielagk zufolge die bürokratischen Widrigkeiten. Ein Beispiel: Da die SAB bereits mit Projektantrag eine Auflistung aller geplanten Themen des Magazins verlangte, kann "5Minuten" praktisch nicht aktuell arbeiten. Gravierender noch die wirtschaftlichen Belastungen, die mit Beantragung und Realisierung des Projekts verbunden seien. Das Ganze verlange sehr viel Nebenaufwand und enorme Vorfinanzierungsmöglichkeiten inklusive Bürgschaften. "Man kann sich gar nicht mehr auf das eigentliche Ziel konzentrieren. Eigentlich ein Grund zum Aufgeben."

Letztlich Resignation? Bielagk verneint: "Ich bin jetzt 15 Jahre dabei, die lokalen TV-Medien grenzüberschreitend zusammenzubringen. Da kann nicht einfach Schluss sein." Gemeinsam mit Evropan denke man über eine Weiterführung des Projektes nach. Ob dies dauerhaft auf kommerzieller Basis oder in sonstigen Modellen geschehen könne sei erst Ende des Jahres klar. Bisher sei es nicht gelungen, einen ernsthaften Finanzierungspartner zu finden.