Syrien: Atombehörde schaltet UN-Sicherheitsrat ein
Den Atomwächtern reißt im Nuklearstreit mit Syrien der Geduldsfaden. Sie rufen den UN-Sicherheitsrat an. Vor Strafen muss sich das arabische Land aber dank Russland nicht fürchten.

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hat im Streit mit Syrien um ein geheimes Nuklearprogramm des Landes den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingeschaltet. Der aus 35 Staaten bestehende IAEA-Gouverneursrat in Wien beschloss am Donnerstag mit einer knappen Mehrheit von 17 Ländern eine Resolution, die den Streit mit dem arabischen Land wegen fehlender Kooperation Syriens mit den Atomwächtern an das höchste UN-Gremium verweist.

Sanktionen könnten an Russland und China scheitern

Mögliche Sanktionen des Sicherheitsrats dürften aber voraussichtlich am Widerstand der Vetomächte Russland und China scheitern, die bei der IAEA gegen die Resolution gestimmt hatten. Auch Aserbaidschan, Ecuador, Pakistan und Venezuela votierten dagegen. Elf Staaten enthielten sich, ein Land fehlte.

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte am Abend die Entscheidung: "Die Resolution ist die folgerichtige Konsequenz aus der Missachtung völkerrechtlicher Pflichten Syriens zu Transparenz und Kooperation." Man sei nicht bereit, diese eklatanten Verstöße Syriens gegen internationales Recht hinzunehmen.

Hintergrund des Atomstreits mit Syrien sind Zweifel am wahren Zweck eines Gebäudekomplexes in Al Kibar (Dair Alzour), hinter dem viele Länder einen geheimen, im Bau befindlichen Atomreaktor vermuteten. Israel bombardierte die Anlage 2007, bevor deren Nutzen geklärt werden konnte. Syrien bestreitet die Vorwürfe, arbeitet aber seit Jahren nicht ausreichend mit der IAEA zusammen.

Nach vier Jahren stellte IAEA-Chef Yukiya Amano in seinem Syrien-Bericht im vergangenen Monat erstmals fest, dass Al Kibar "mit großer Wahrscheinlichkeit" ein geheimer Atomreaktor gewesen sei. "Ich hielt es für angemessen, nun die Mitgliedsstaaten zu informieren, da es im Interesse von niemandem ist, diese Situation ewig in die Länge zu ziehen", sagte Amano in Anspielung auf die fehlende Kooperation des Landes am Montag.

Kooperationsangebot in letzter Minute

Damaskus hatte der IAEA in der vergangenen Woche in letzter Minute ein Kooperationsangebot gemacht, wollte dieses aber erst nach der Sitzung des Leitungsgremiums spezifizieren. Syrien habe dem Gouverneursrat mit seiner jahrelang fehlenden Zusammenarbeit keine andere Wahl gelassen, sagte der IAEA-Botschafter der USA, Glyn Davies, nach der Abstimmung: "Die syrischen Absichten in Dair Alzour sind klar; der Reaktor wurde dort für den klaren Zweck der Plutoniumproduktion zur möglichen Nutzung in Nuklearwaffen gebaut."

Das Land müsse nun ohne Vorbehalte mit der Atombehörde bei der Klärung offener Fragen zu seinem Nuklearprogramm zusammenarbeiten, sagte Deutschlands IAEA-Botschafter Rüdiger Lüdeking: "Das weitere Vorgehen der internationalen Gemeinschaft hängt davon ab, dass Syrien die Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen korrigiert."

Russland: "IAEA-Resolution nicht objektiv"

Nach den Gegenstimmen Russlands und Chinas bei der IAEA scheinen Sanktionen des Sicherheitsrats aber unwahrscheinlich. Die Vetomacht Russland hatte sich am Donnerstag auch bei der Niederschlagung der Proteste und bei Menschenrechtsverletzungen im Land vor einen ihren engsten Verbündeten gestellt. Auch in dieser Frage könnte der Weltsicherheitsrat Sanktionen beschließen.

Die IAEA-Resolution sei nicht objektiv und käme zur falschen Zeit, kritisierte Russland vor der Abstimmung in einer Rede. Die umstrittene Anlage sei zerstört und damit keine Gefahr mehr für Frieden und Sicherheit. "Dair Alzour existiert nicht mehr", sagte der russische IAEA-Gesandte Grigory Berdennikov. Die Resolution sei sehr bedauerlich, reagierte der syrische IAEA-Botschafter Bassam Sabbagh knapp. Syrien habe sich immer zu seinen Verpflichtungen und Aufgaben bekannt und werde das auch weiter tun.

Das letzte Mal hatte die IAEA 2006 den Iran per Resolution wegen der Nichteinhaltung seiner Pflichten an den Sicherheitsrat verwiesen, der seitdem bereits mehrfach Sanktionen beschlossen hat. Dennoch treibt das islamische Land sein Nuklearprogramm weiter voran, hinter dem viele Länder das Streben nach Atombomben vermuten.

dpa