TV-Tipp des Tages: "Bloch: Inschallah" (ARD)
Dalia, eine junge Patientin von Bloch, taucht in die Kreise islamistischer Terroristen ein, wovor der Therapeut Bloch zu lange seine Augen verschließt.
10.06.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Bloch: Inschallah", 15. Juni, 20.15 Uhr im Ersten

Bei Dieter Pfaff von "physischer Präsenz" zu sprechen, ist fast schon untertrieben: Der wuchtige Körper des Schauspielers ist buchstäblich bildschirmfüllend. Derartige Auftritte bergen naturgemäß die Gefahr, dass für andere kein Platz mehr bleibt. Aber Pfaff ist ein sparsamer Arbeiter, der seine Spielpartner nicht erdrückt. Davon profitieren vor allem Nachwuchskräfte, etwa Janina Stopper in der "Bloch"-Folge "Die Wut".

Bloch begeht einen Anfängerfehler

Nicht minder bemerkenswert ist die Leistung der jungen Aylin Tezel ("Almanya"). Dabei ist ihre Rolle alles andere als einfach: Dalia ist die Tochter einer Deutschen und eines Irakers. Als sie neun Jahre alt war, haben sich die Eltern getrennt; der Vater hat sie in seine Heimat mitgenommen. Nun ist sie 17 und steht eines Abends vor der Tür des Psychiaters. Dalias Mutter (Susanne Lothar) war damals seine Patientin. Das Mädchen leidet bis heute unter dem Trauma der elterlichen Trennung. Das BKA ist jedoch überzeugt, Dalia sei Islamistin und plane einen Anschlag auf eine internationale Sicherheitskonferenz. Bloch hält das für Blödsinn. Viel zu spät wird ihm klar, dass er einen Anfängerfehler begangen hat, der furchtbare Folgen haben kann.

Jürgen Werners Drehbuch erzählt viel mehr als nur die vordergründige Krimigeschichte; das belastete Verhältnis zwischen Mutter und Tochter zum Beispiel nimmt mindestens genauso viel Raum ein, zumal schließlich auch noch Dalias Vater (Slaheddine Ben Saad) auftaucht. Aber die Beziehung zwischen dem riesigen Bloch und dem fragilen Mädchen ist ungleich spannender, zumal Susanne Lothar die innere und äußere Verwahrlosung der Mutter mit viel Tremolo zelebriert. Dass man als Zuschauer glaubt, dem Therapeuten einen Schritt voraus zu sein, erhöht den Reiz sogar noch. Als sich am Ende das tatsächliche Anschlagsziel herauskristallisiert, ist man genauso verblüfft wie Bloch.

Vor allem aber lebt der Film von dem Zwiespalt, den Aylin Tezel großartig verkörpert. Dalia ist hin und hergerissen zwischen Gottesfurcht, Todessehnsucht, einem allumfassenden zornigen Misstrauen sowie einer zutiefst menschlichen Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit. Selbst bei erfahrenen Schauspielern wäre die Gefahr groß, bei solch’ extremen Emotionen weit übers Ziel hinauszuschießen, aber unter der Führung von Regisseur Thomas Jauch verkörpert die Tochter eines türkischen Arztes und einer deutschen Krankenschwester diese Zerrissenheit mit großer Glaubwürdigkeit.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).