TV-Tipp: "Tatort: Fluch der Mumie" (ARD)
Die Autoren des Münsteraner Tatorts, Cantz und Hinter, konfrontieren Boerne diesmal mit einem Gegenspieler, der ihm in Sachen Geltungssucht fast den Rang abläuft.
10.06.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Fluch der Mumie", 12. Juni, 20.15 Uhr im Ersten

Schon der in blutenden Lettern gehaltene Vorspann und erst recht der Titel wecken die Hoffnung auf einen "Tatort" der besonderen Art. Außerdem heißen die Autoren dieser hinreißenden Krimikomödie Stefan Cantz und Jan Hinter; sie haben das glorreiche "Tatort"-Team mit dem brummigen Kommissar Thiel und dem blasierten Rechtsmediziner Boerne erfunden. Aber natürlich haben auch die beiden kongenialen Hauptdarsteller Axel Prahl und Jan Josef Liefers enormen Anteil daran, dass der "Tatort" aus Münster nach wie vor so frisch wirkt wie beim Debüt im Herbst 2002. Manchmal ist das bloß eine Frage der besonderen Herausforderung: Cantz und Hinter konfrontieren Boerne diesmal mit einem Gegenspieler, der ihm in Sachen Geltungssucht fast den Rang abläuft.

Der persische Prinz

Schuld daran ist die Titelfigur, und schon allein deren Schöpfung ist ein Geniestreich: Thiel senior (Claus D. Clausnitzer) wird bei Renovierungsarbeiten auf einem Dachboden beinahe von einer Holzkiste erschlagen, die einen vermutlich weit über zweitausend Jahre alten mumifizierten Leichnam enthält. Für Wilfried Kastner (Justus von Dohnányi), den Leiter des örtlichen archäologischen Instituts, ist der Fund eine Sensation, denn der Tote entpuppt sich als persischer Prinz; Mumifizierungen aber waren nach Ansicht der Fachwelt außerhalb Ägyptens unbekannt. Selbstredend möchte sich auch Boerne im Glanz der Medien sonnen und besteht angesichts der offenbar unnatürlichen Todesursache des Prinzen auf einer rechtsmedizinischen Untersuchung, wobei er zu seiner Überraschung feststellt, dass der Perser anscheinend durch eine Kugel ermordet wurde. Damit wäre eine zweite Sensation perfekt, denn Feuerwaffen wurden erst viel später erfunden. Thiel sucht derweil nach dem Mörder eines sadistischen Gefängniswärters.

Selbstverständlich gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen, und schon die Verknüpfung der beiden Erzählstränge ist ein Kunstwerk für sich. Trotzdem lebt der "Tatort" vor allem von den vielen Humoresken, die der Krimihandlung aber nie im Weg stehen (Regie: Kaspar Heidelbach). Pure Komödie sind die Folgen eines Wasserschadens im Hause Boerne: Der Mediziner und sein Mieter Thiel sind ständig auf der Suche nach Alternativen für die heimische Dusche. Entsprechend perplex ist Vater Thiel gleich zu Beginn, als er seinen Sohn anruft und der mit dem mobilen Telefon in der Hand aus seinem Badezimmer auftaucht. Eine Aufwertung erfährt auch Alberich (ChrisTine Urspruch), Boernes ebenso umtriebige wie kleinwüchsige Assistentin, der die Autoren diesmal eine angedeutete Romanze gönnen. Objekt ihrer stillen Zuneigung ist allerdings ein frisch entlassener Ex-Häftling (Tobias Schenke), der ganz besonders unter den Schikanen des toten Wärters zu leiden hatte und daher Verdächtiger Nummer eins ist.

Das ist vielleicht das Beste an diesem "Tatort": dass er neben all den Comedy-Einlagen außerdem auch ein prima Krimi ist. Trotzdem sind die schönsten Momente Szenen wie jene, als Thiel unfreiwillig in der Waschanlage duschen muss und Komponist Arno Steffen, der für den Film eine wunderbare Mischung aus Country-Rock und –Blues geschrieben hat, dies auch noch boshaft mit Takten aus "Car Wash" unterlegt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).