"Wilsberg: Tote Hose", 11. Juni, 20.15 Uhr im Zweiten
Verliebte Männer haben eine gewisse Neigung, sich zum Trottel zu machen. Das ist menschlich verständlich, schließlich macht Liebe blind, schützt aber weder vor Missbrauch noch vor Spott. Eckehard Ziedrich verarbeitet in seinem Drehbuch zu diesem wie stets angenehm amüsanten "Wilsberg"-Film beides: Wilsbergs Kumpel Ekki (Oliver Korittke) ist bis über beide Ohren in die attraktive Denise (Bianca Hein) verliebt. Was er nicht ahnt: Auch Kommissar Overbeck (Roland Jankowski) ist auf die junge Schönheit reingefallen. Skrupellos zieht sie beide über den Tisch: Ekki löscht beim Finanzamt einen kompletten Vorgang und damit ihre Steuerschulden, Overbeck lässt aus dem Polizeiarchiv eine belastende Akte verschwinden. Wilsberg (Leonard Lansink) genügt eine Stippvisite beim örtlichen Hostessenservice, um rauszufinden: Die junge Dame hat professionelle Erfahrung darin, einsame Männerherzen zu becircen.
Mit Alexander Radszun und Sigmar Solbach
Aber das ist nur die eine Seite dieser Geschichte, die Hans-Günther Bücking (Regie und Kamera) jederzeit fesselnd umsetzt. Der Film beginnt mit einem Mord und einem langen Gesicht: Bauunternehmer Schlachkamp (Alexander Radszun) entledigt sich seines verräterischen Buchhalters Lotze (Sigmar Solbach), denn der hat ihn beim Finanzamt wegen Steuerhinterziehung angezeigt. Als Schlachkamp das Schwarzgeld aus den Bankschließfächern holen will, greift er ins Leere. Kurz drauf ist das auch egal, denn er wird erschossen. Und da sich das gesamte "Wilsberg"-Ensemble gegenseitig am Tatort überrascht, muss Kommissarin Springer (Rita Russek) notgedrungen nicht nur gegen ihre Freunde, sondern auch gegen den eigenen Mitarbeiter ermitteln.
Ziedrich und Bücking machen sich ohnehin immer wieder einen Spaß daraus, die Mitwirkenden ohne ihr Wissen am selben Ort zu versammeln; trotzdem gelingt es ihnen nicht, beispielsweise die Entführung von Denise zu verhindern. Das humoristische Potenzial dieser Szenen entsteht meist erst durch den Schnitt. Auch ein typisches Merkmal der "Wilsberg"-Krimis, die parallel erzählten und auf die Spitze getriebenen Handlungsstränge, verdanken ihre Wirkung der Montage (hier: Zaz Montana). Die vordergründige Spannung wiederum resultiert auch in dieser Geschichte aus der Frage, wie es dem Privatdetektiv aus Münster wohl gelingen mag, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, wenn er wieder mal irgendwo unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingedrungen ist. Existenziell jedoch sind die Bedrohungen nie, und da Bücking die oftmals verblüffend komischen Momente elegant inszeniert, ist die Episode ihrem Titel "Tote Hose" zum Trotz sehr lebendig und äußerst vergnüglich.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).