EHEC: Lieber einmal mehr warnen als einmal zu wenig
Waren die frühzeitigen Warnungen vor dem Gemüseverzehr gerechtfertigt? Ja, sagt Niedersachsens Landwirtschaftsminister Lindemann - und auch EU-Gesundheitskommissar Dalli meint: Die deutschen Behörden haben richtig gehandelt. Unterdessen sind in Holland EHEC-Bakterien auf Sprossen von Roter Beete entdeckt worden.

Lieber einmal mehr warnen als einmal zu wenig: Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) hat Kritik an der Sprossen-Warnung seines Ministeriums erneut zurückgewiesen. Auch ein verstärktes Eingreifen der Europäischen Union bei der Bewältigung des EHEC-Ausbruchs hält der Minister nicht für notwendig: "Die EU war von Beginn an involviert und kann auch nicht mehr tun, als auf Ergebnisse warten", sagte Lindemann der "Bild"-Zeitung (Donnerstag).

EU: Die deutschen Behörden haben richtig gehandelt"

EU-Gesundheitskommissar John Dalli stärkte den deutschen Behörden den Rücken: "Wir sollten jetzt nicht über das Krisenmanagement streiten, sondern erst einmal die Krise bewältigen", sagte Dalli der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). Er habe den Eindruck, dass die zuständigen Minister in Deutschland daran hart arbeiteten. Auch die frühzeitige Warnung vor spanischen Gurken sei richtig gewesen. "Die Behörden in Hamburg hatten gar keine andere Wahl als zu warnen", sagte der EU-Kommissar. "Sie waren dazu verpflichtet und haben richtig gehandelt."

Die unter der EHEC-Krise leidenden Gemüsebauern sollen nach dem Willen der EU-Kommission deutlich höher entschädigt werden als geplant. Für Umsatzeinbußen sollen die europäischen Landwirte 210 Millionen Euro statt der zunächst vorgeschlagenen 150 Millionen Euro erhalten. "Das Geld wird bis Juli bereitstehen", sagte Agrarkommissar Dacian Ciolos am Mittwoch in Brüssel. Die EU-Staaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen. Eine nochmalige Aufstockung schloss Ciolos nicht aus.

Unterdessen wurde am Mittwoch bekannt, dass in einer Mülltonne einer an EHEC erkrankten Familie in Magdeburg die grassierende Form des Darmkeims an einem Gurkenrest nachgewiesen wurde. Ob dies zum Ursprung der Infektionswelle mit inzwischen mindestens 25 Toten führt, ist aber bislang unklar. Auch welche Bedeutung die entdeckten Keimspuren haben, ist fraglich. "Aus diesem Fund können keine Rückschlüsse gezogen werden", sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dem "Tagesspiegel" (Donnerstag). Man wisse nicht, ob der Erreger vorher auf der Gurke war oder erst über den Müll auf das Gemüse gelangte.

EHEC-Bakterien auf Rote-Bete-Sprossen in Holland

In den Niederlanden sind EHEC-Bakterien auf Sprossen von Roter Bete entdeckt worden. Dabei handele es sich aber nicht um den gefährlichen Typ O104:H4, der die Infektionswelle in Deutschland ausgelöst habe, erklärte das Gesundheitsministerium in Den Haag. Dennoch habe Ministerin Edith Schippers angeordnet, das Sprossengemüse aus dem betroffenen Agrarbetrieb vom Markt zu nehmen, teilte ein Behördensprecher am späten Mittwochabend mit.

Auch in Deutschland seien solche EHEC-Bakterien bereits auf Rote-Bete-Sprösslingen aus den Niederlanden gefunden worden, erklärte der Sprecher unter Berufung auf Angaben der Europäischen Union. Um welchen Hersteller es geht, wollte das Ministerium nicht mitteilen. Experten würden weiter untersuchen, um was für eine EHEC-Form es geht und ob sie überhaupt bei Menschen zu Erkrankungen führen kann.

Die zum Agrarministerium in Den Haag gehörende Behörde für Lebensmittel und Warenprüfung (VWA) hatte am 4. Juni noch erklärt, umfangreiche Untersuchungen hätten bislang keinen Hinweis darauf erbracht, dass niederländisches Gemüse mit EHEC-Bakterien befallen sei.

Weiterhin Kritik am Krisenmanagement derBunderegierung

Die Kritik am Krisenmanagement der schwarz-gelben Bundesregierung reißt unterdessen nicht ab: Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Bärbel Höhn, warf Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) Versäumnisse bei der Information der Bevölkerung über die Gefahr von EHEC vor. "Ich verstehe nicht, warum Aigner noch am 25. Mai gesagt hat: Niemand muss auf Gemüse verzichten. Dabei war schon seit dem 21. Mai bekannt, dass Tomaten, Gurken und Salat unter dem Verdacht stehen, dass sie die Ursache für den EHEC-Ausbruch sind", sagte Höhn der "Rheinischen Post" (Donnerstag). "Entweder hat Frau Aigner von dem Verdacht nicht gewusst. Dann war das Krisenmanagement schlecht, oder sie hat den Verdacht ignoriert."

dpa