US-Präsident Barack Obama hat mit Kanzlerin Angela Merkel zum Auftakt ihres Besuches in Washington vertraulich über das deutsch-amerikanische Verhältnis gesprochen. In einem Restaurant in Georgetown erörterten sie am Montagabend (Ortszeit) ferner die Lage in Nordafrika und Afghanistan sowie den Nahost-Konflikt und die Euro-Krise, verlautete aus deutschen Regierungskreisen. Es sei ein "gelungener, intensiver und freundschaftlicher Meinungsaustausch" gewesen, hieß es. Inwiefern die Differenzen in der Libyen-Frage zur Sprache kamen, blieb offen.
Hohe US-Ehrung für Merkel
Heute nachmittag empfängt Obama Merkel offiziell mit militärischen Ehren vor dem Weißen Haus. Am späten Abend verleiht er ihr für ihren beispiellosen politischen Lebensweg die Freiheitsmedaille, die höchste Auszeichnung der USA, und gibt ein Staatsbankett für die deutsche Delegation. Merkel ist die erste europäische Regierungschefin, die von Obama entsprechend gewürdigt wird. Beschlüsse werden oder eine Zusage zu militärischem Engagement für die Nato-Operation gegen Libyen nicht erwartet.
Merkel wird von fünf Bundesministern begleitet. Es ist die größte und hochrangigste deutsche Delegation seit der Amtszeit von Altkanzler Helmut Kohl. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: "Dieser außergewöhnliche Empfang der deutschen Delegation durch die amerikanische Regierung zeigt, dass das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika wirklich vorzüglich ist." Natürlich hätten aber auch engste Freunde einmal unterschiedliche Auffassungen.
Heikles Thema Libyen
Obama hatte Deutschland in einem am Wochenende veröffentlichten Zeitungsinterview indirekt zu einem stärkeren Engagement in Libyen aufgefordert. "Ich freue mich auf die Diskussion mit der Kanzlerin, wie wir gemeinsam noch mehr tun können, um effektiver auf die Veränderungen in der Region zu reagieren, inklusive Libyen", sagte er dem "Tagesspiegel".
Zur international kritisierten Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat beim Vorgehen gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi sagte Westerwelle in Washington: "Wir haben uns in der Frage Libyens dafür entscheiden, dass wir uns nicht mit deutschen Soldaten an diesem Militäreinsatz beteiligen werden. Diese Entscheidung steht und diese Entscheidung wird von uns als Bundesregierung auch unverändert vertreten." Allerdings würde sich Deutschland für einen zivilen Aufbau des Landes engagieren.
Afghanistan: USA erwägt schnellen Truppenabzug
Am Nachmittag trifft Merkel außerdem Vizepräsident Joe Biden und Außenministerin Hillary Clinton sowie einige Senatsmitglieder. Themen sind der Nahost-Konflikt und der Afghanistan-Einsatz, die Euro-Krise und die Nachfolge des wegen einer Sexaffäre zurückgetretenen Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Obamas Sicherheitsteam erwägt nach einem Zeitungsbericht einen schnelleren Truppenabzug aus Afghanistan. Gründe für die Überlegungen seien die immensen Kosten des Militäreinsatzes sowie der Tod von Terroristenführer Osama bin Laden, meldete die "New York Times" am Montag. Die USA wollen Anfang Juli mit dem Abzug beginnen, Deutschland erst Ende des Jahres.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk und WDR in Washington, die USA hätten ihre Truppen im vorigen Jahr um 30.000 Mann zur Intensivierung des Einsatzes aufgestockt. Zugleich hätten sie schon damals angekündigt, mit dem Rückzug im Juni 2011 zu beginnen. Westerwelle sagte zu dem geplanten deutschen schrittweisen Abzug der Soldaten möglichst ab Ende dieses Jahres: "Die Anschläge und Rückschläge, die wir dort sehen, sind furchtbar. Trotzdem kann das nicht heißen, dass wir in Afghanistan noch einmal 10 Jahre mit Kampftruppen bleiben."