Mehr Männer: Kita-Fachkräfte und Tagesväter gesucht
Die Politik will mehr Männer für die Erziehung der Kleinsten. In den Kitas sind nur ganz wenige Pädagogen männlich. Millionensummen und neue Konzepte sollen das ändern. Ronald Lennartz ist Tagesvater, damit totaler Exot - und seine Warteliste schon bis 2013 dicht.
05.06.2011
Von Yuriko Wahl-Immel

Fritz hat die Windel voll, der kleine Max den Brötchenbelag im Gesicht - und Ronald Lennartz die Ruhe weg. Der Düsseldorfer ist ein wahrer Exot, einer von nur 1.000 Tagesvätern bundesweit. "Ich war länger alleinerziehender Vater und hatte keine Betreuung, wenn ich nachts arbeiten musste", erzählt er in seiner Einrichtung Düsseltalerchen, einer bunt gestalteten Wohnung mit Puppenstuben-Charakter. "Ich dachte, da muss ich mich auch als Mann einbringen." Der 44-Jährige ließ sich vom Bundesverband für Kindertagespflege in einem 160-Stunden-Kurs zur "Qualifizierten Tagespflegeperson" ausbilden und kümmert sich seit 2007 um fünf kleine Jungs und Mädchen. Bis 2013 ist er ausgebucht.

"Der Wunsch nach mehr Männern ist stark"

Die Politik will mehr Männer als Fachkräfte für die Betreuung der Kleinsten. In Deutschland sind in den Kindertagesstätten nur 2,4 Prozent der ausgebildeten Erzieher männlich, Tagesväter sowieso die absolute Ausnahme. Aktuell werden nun in 13 Bundesländern 16 Modellprojekte mit 1300 Kitas gefördert. Mit 13 Millionen Euro, die vom Europäischen Sozialfonds und dem Bundesfamilienministerium kommen. Ziel der Mehr-Männer-Mission: Bis 2013 soll klar sein, wie man sie für die Kitas besser gewinnen kann.

"Der Wunsch nach mehr Männern ist stark. Die Kitas, die Träger, die Erzieherinnen und auch die Eltern wollen mehr Männer", sagt Jens Krabel, fachlicher Leiter der Koordinationsstelle Männer in Kitas. "Männer tragen zur Vielfalt des pädagogischen Angebots bei, männliche Fachkräfte bringen sich anders ein als Frauen." Es gehe auch um Gleichstellung: "Mehr Frauen in Führungsposition und mehr Männer in Kitas", meint Krabel. Häufiges Argument ist auch, dass sie den familiären Mangel an männlichen Bezugspersonen mit abfedern.

Weniger Jugendgewalt durch männliche Erzieher

Lennartz, der zugleich im Deutschen Kindertagespflegeverein Vorstand ist, winkt beim Thema Kita allerdings ab. "Ich hätte Sorgen, als einziger Mann unter Frauen gemobbt zu werden." Mehr Männer in Kitas wären gut für die Kinder, glaubt er. Aber: "Ob die Männer nun alle so auf das Millionen-Förderprogramm gewartet haben und jetzt sagen "Oh, ich bin dabei" - na ja, das wage ich zu bezweifeln."

"Kinder brauchen auch den männlichen Part in der Erziehung", betont der Tagesvater. Bei vielen komme das zu kurz. Auch deshalb sei sein Angebot wohl so gefragt. "Dass heißt nicht, dass ich mit den Kindern nur Fußball spiele. Wir singen, basteln, essen zusammen, spielen, gehen raus - ich bin ein Allround-Erzieher, vielleicht lockerer als viele Frauen." Lennartz: "Wenn mehr Männer mitmachen würden, hätten wir auch mit Jugendgewalt auch nicht so ein Problem. Ich beobachte schon, dass Frauen bei Durchsetzungskraft und Autorität öfters Probleme gegenüber ihrem Nachwuchs haben."

"Kinder brauchen auch männliche Vorbilder"

Auch NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) sagt der dpa: "Wir brauchen mehr Männer als Erzieher." Kinder sollten möglichst alle Facetten der Gesellschaft erleben und dafür auch Vorbilder haben. Dazu gehörten auch Männer. Dass die im Erziehungsbereich so selten anzutreffen seien, habe auch mit gesellschaftlicher Akzeptanz und einem Gehalt zu tun, das kaum ausreiche, um eine Familie zu ernähren.

Krabel bestätigt: "Das traditionelle Geschlechterbild stand bisher im Weg, die Arbeit wird oft noch schlecht bezahlt und es gibt wenig Vollzeitstellen." Trotzdem sieht er bei jungen Männern ein wachsendes Interesse. Es gibt aber auch Misstrauen auf Elternseite, vor allem gegen Tagesväter. Um hier Abhilfe zu schaffen, sei das Düsseldorfer Modell "i-Punkt-Familie" von Jugendamt und Trägern wie AWO und Diakonie als Betreuungsvermittler vorbildlich, lobt Lennarzt. Die Stelle vermittelt nur an seriöse Anbieter - und wer keinen Tagesvater wünscht, bekommt eben doch die klassische Tagesmutter.

dpa