"Der Vorschlag, auf freiwilliger Basis Entschädigungen zu leisten, ist nach den Erfahrungen der Heimkinder mit Kirchen und Verbänden völlig indiskutabel", sagte der niedersächsische Sprecher der Betroffenen, Jürgen Beverförden, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Er forderte "ein Entschädigungsgesetz für alle Missbrauchsopfer, das einen festen Entschädigungskatalog festlegt".
1.500 bis 50.000 Euro für die Opfer
Die Vorschläge Bergmanns sollen an diesem Montag dem Runden Tisch der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs vorgestellt werden. Die Missbrauchsbeauftragte hat empfohlen, sich bei der Entschädigung der Opfer an der Schmerzensgeldtabelle zu orientieren, die Summen von 1.500 bis 50.000 Euro vorsehe. Eine konkrete Summe nannte sie bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts aber nicht.
Beverförden vertritt ehemalige Heimkinder in Niedersachsen, die in den 1950er und 1960er Jahren unter Demütigungen, Gewalt und Arbeitszwang, aber auch unter sexuellem Missbrauch gelitten haben. Er warnte vor den Folgen unverbindlicher Empfehlungen. «Wir sind gegen die drohende Bürokratisierung und gegen eine unendliche Zahl individueller Gerichtsverfahren», sagte er. Zudem beharrten die ehemaligen Heimkinder auf einem gemeinsamen Entschädigungsfonds von Staat, Kirchen und Verbänden.
Bergmann: Noch viele Missbrauchsopfer rufen nach Gehör
Nach der Vorstellung des Missbrauchsberichts der Bundesregierung vor einer Woche haben sich noch einmal zahlreiche Opfer gemeldet. Allein am Folgetag hätten 850 Menschen telefonischen Kontakt mit der Anlaufstelle gesucht, sagte die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, an Freitag auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden beim Forum "Über die Betroffenheit hinaus!" zur Verantwortung für Prävention und Folgen sexuellen Missbrauchs: "Wir sehen, wie viele danach noch rufen, gehört zu werden."
Unter Beifall sagte die ehemalige Bundesfamilienministerin zur bisherigen Aufklärungsarbeit: "Das alles reicht noch nicht, da muss noch mehr Butter bei die Fische." Darüber hinaus sprach sie sich für den Ausbau der Beratung und Therapiemöglichkeiten für die Opfer aus. Die unabhängige Stelle für Betroffene müsse zudem über den Oktober hinaus mit einer veränderten Aufgabenstellung fortgeführt werden. So müsse die Stelle dann auch die Umsetzung der Empfehlungen kontrollieren, sagte Bergmann. Zudem sei eine Reform des Opferschutzgesetzes notwendig.