Der bei einem Anschlag schwer verletzte jemenitische Präsident Ali Abdullah Salih ist nach Angaben des saudischen Königshofs zur medizinischen Behandlung in Saudi-Arabien eingetroffen. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira in der Nacht zum Sonntag unter Berufung auf eine Erklärung des Königshofs mitteilte, wurde Salih von ebenfalls verletzten Offiziellen und Bürgern begleitet. Er sei gegen Mitternacht angekommen, hieß es beim US-Nachrichtensender CNN. Nach der Ankunft in Riad sei Salih in ein Militärkrankenhaus in Riad gebracht worden, will Al-Dschasira erfahren haben.
CNN berichtete unter Berufung auf den jemenitischen Regierungssprecher Abdu Ganadi , dass Salihs Stellvertreter Abed Rabbo Mansur Hadi die Amtsgeschäfte des Präsidenten vorübergehend übernommen habe. Al-Dschasira berichtete überdies, Abed Rabbo Mansur Hadi sei vorerst auch Oberkommandierender der Streitkräfte.
Nach der Explosion einer Granate stecke in der Herzgegend des 69-Jährigen Salih ein 7,6 Zentimeter langes Schrapnell, berichtete der britische Rundfunksender BBC am Samstagabend unter Berufung auf Regierungskreise.
Die Opposition fordert seit Monaten mit Massendemonstrationen den Rücktritt des seit 1978 herrschenden Präsidenten. Der blutige Machtkampf zwischen Salih und einflussreichen Gegnern aus seinem eigenen Haschid-Stamm war in den vergangenen Tagen eskaliert. Nach dem Anschlag vom Freitag hatten Gefolgsleute des Präsidenten Granaten auf das Haus des Oppositionspolitikers Hamid al-Ahmar abgefeuert.
Jemens Vizepräsident trifft US-Botschafter
Wenige Stunden nach der Ausreise des schwer verletzten Präsidenten Ali Abdullah aus dem Jemen hat sich sein Stellvertreter am Sonntag mit dem US-Botschafter Gerald Feierstein getroffen. Das meldete der Nachrichtensender Al-Arabija aus Dubai.
Die USA messen dem Jemen große Bedeutung bei, weil das arabische Land ein Rückzugs- und Rekrutierungsland für das Terrornetzwerk Al-Kaida ist. In den vergangenen Jahren hatte die US-Armee mehrfach mit Duldung Salihs im Jemen Terrorverdächtige mit Kampfdrohnen getötet.
In mehreren Städten im Jemen feierte am Sonntag tausende Menschen die Ausreise von Salih. Die Demonstranten sangen auf den Straßen, berichtete die Aktivistin Shatha al-Harazi der Nachrichtenagentur dpa. "Die Menschen sehen diesen Schritt als einen Sieg", sagte sie.
Neue Waffenruhe vereinbart
Angesichts der ausufernden Gewalt in dem Stammeskrieg hat das saudische Königshaus nach Angaben des arabischen Fernsehsenders Al-Arabija eine einwöchige Waffenruhe vermittelt.
Zuvor hatten weitere Staaten ihre Diplomaten aus der hart umkämpften Hauptstadt Sanaa abgezogen. Auch Deutschland schloss vorübergehend seine Botschaft. Außenminister Guido Westerwelle forderte am Samstag die rund 30 noch im Jemen verbliebenen Deutschen auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Bundesregierung folgte damit anderen Staaten. Auch Großbritannien appellierte an seine Bürger, den Jemen umgehend zu verlassen.
Die EU-Außenbeauftragte Cathrine Ashton verlangte einen sofortigen Waffenstillstand. Regierungstruppen und Stammesmilizen sollten sich zurückhalten und die "Eskalation der Gewalt" beenden, sagte Ashton in Brüssel. Die USA verurteilten die «sinnlose Gewalt» in dem vom Terror heimgesuchten Armenhaus der arabischen Halbinsel.
Audiobotschaft statt TV-Ansprache
Seit dem Anschlag auf Salih vom Freitag waren die Spekulationen über dessen Gesundheitszustand und Aufenthaltsort nicht abgerissen. Zuerst verlautete aus Regierungskreisen, dass der Präsident nur leichte Verletzungen am Kopf davongetragen habe. Später wandte sich der Verletzte aber nur mit einer Audiobotschaft an sein Volk. Er sei wohlauf und es gehe ihm gut, sagte Salih. Allerdings war deutlich zu hören, dass er schleppend sprach und schwer atmete.
Die BBC berichtete dann unter Berufung auf Regierungskreise, dass Salih von einem Schrapnell getroffen worden sei und darüber hinaus Brandverletzungen zweiten Grades im Brustbereich und Gesicht davongetragen haben soll.
In den vergangenen Wochen war der seit langem schwelende Machtkampf zwischen dem 69 Jahre alten Salih und der rivalisierenden Al-Ahmar-Familie eskaliert. Scheich Sadik al-Ahmar ist Oberhaupt des Haschid-Stammes. Scheich Hamid al-Ahmar, ein Bruder des Stammesführers, ist ein vermögender Geschäftsmann.
Die Al-Ahmar-Familie wehrt sich unter anderem gegen die Absicht von Salih, seinem ältesten Sohn Ahmed die Macht zu übergeben. Der ist Kommandeur der Republikanischen Garde und damit eine der wichtigsten Machtstützen seines Vaters. Dagegen unterstützen die Al-Ahmars die Opposition, die seit Jahresbeginn Präsident Salih mit Massenprotesten zum Rücktritt zwingen will.