Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hält die Ausländseinsätze der Bundeswehr mit der christlichen Friedensethik für vereinbar. Wenn alle Bemühungen zu einem gerechten Frieden scheitern, bleibe der Einsatz von Streitkräften das letzte Mittel, sagte de Maizière der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung" (Freitagsausgabe). Der Minister wird am Freitagabend auf dem evangelischen Kirchentag in Dresden mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, über das deutsche militärische Engagement im Ausland diskutieren.
De Maizière sprach in dem Zeitungsinterview von einem ethischen Abwägungsprozess bei der Entscheidung über Militäreinsätze. "Man wird durch solches Handelns schuldig im streng evangelischen Sinne. Aber wer nichts tut, wird auch schuldig. Es gibt kein Handeln, ohne dass man schuldig wird", sagte der CDU-Politiker, der dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages angehört. "Wenn Gewalt ausgeübt wird, um etwa Diktatoren daran zu hindern, ihre eigenen Bürger umzubringen, ist das meines Erachtens legitim und verantwortbar."
De Maizière nimmt am Nachmittag in Hannover an der Trauerfeier für drei in Afghanistan getötet deutsche Soldaten teil. Am Donnerstag war bei einem weiteren Anschlag ein Bundeswehrsoldat getötet worden, fünf weitere wurden verletzt.
Höppner: Krieg keine Lösung für Konflikte in Afghanistan
Der frühere sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) hat beim evangelischen Kirchentag den Militäreinsatz in Afghanistan infrage gestellt. Mit Kriegen wie in Afghanistan könne man keine Konflikte lösen, sagte er am Freitag laut Redemanuskript. "Dass man den Krieg in Afghanistan militärisch nicht gewinnen kann und auf Verhandlungen mit den Gegnern setzen muss, das hätte man wissen können", sagte Höppner. Nach fast zehn Jahren Krieg werde die Lage eher schlimmer als besser.
Auch der Glaube an das wirtschaftliche Wachstum sei kein Weg in die Zukunft, sagte Höppner in einer Bibelarbeit: "Eine endliche Erde verträgt kein unendliches Wachstum. Umkehr ist nötig." Er sei überzeugt, dass Wohlstand ohne Wachstum möglich sei. Ein Wohlstand für alle müsse auch nachfolgende Generationen im Blick haben und dürfe nicht auf "Wechseln auf die Zukunft" aufgebaut werden. Zu oft würden warnende Stimmen überhört. "Es muss erst die Atomkatastrophe in Fukushima passieren, damit wir wahrnehmen, was ein Restrisiko ist", sagte Höppner.
Steinmeier bekräftigt Unterstützung für Atomausstieg
Einen breiten Raum nimmt die aktuelle Debatte um den Atomausstieg ein. Zum einen blickt eine Gesprächsrunde zurück und fragt: Vor 25 Jahren Tschernobyl – und heute? Zum anderen gibt es ein Forum und Workshops zur Reaktorkatastrophe von Fukushima und deren Folgen. Dazu wurden der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, sowie Bischof Ulrich und der Vorsitzende der Geschäftführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Müller, begrüßt.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat die Bereitschaft seiner Partei unterstrichen, den angepeilten zügigen Atomausstieg zu unterstützen. Der von der Bundesregierung ins Auge gefasste Termin 2022 entspreche etwa dem vor knapp zehn Jahren von Rot-Grün beschlossenen Szenario, sagte Steinmeier am Freitag in einer Diskussionsveranstaltung beim Evangelischen Kirchentag in Dresden. "Worum es jetzt geht ist, den richtigen Pfad wiederzufinden."
"Eine neue Energiepolitik kann nicht allein der Atomausstieg sein", fügte Steinmeier hinzu. Es gehe vielmehr um eine komplette Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. "Daher müssen wir jetzt vor allen Dingen genau darauf gucken, was in den vielen anderen Gesetzen drumherum steht." Wichtig sei dabei unter anderem, dass ein beschleunigter Ausbau des Leitungsnetzes gelinge. "Das, was jetzt beschlossen wird, muss tragen für einen langen Zeitraum", sagte Steinmeier. Deshalb sei größte Sorgfalt nötig.
Bergmann: Noch viele Missbrauchsopfer rufen nach Gehör
Nach der Vorstellung des Missbrauchsberichts der Bundesregierung vor einer Woche haben sich noch einmal zahlreiche Opfer gemeldet. Allein am Folgetag hätten 850 Menschen telefonischen Kontakt mit der Anlaufstelle gesucht, sagte die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, beim Forum "Über die Betroffenheit hinaus!" zur Verantwortung für Prävention und Folgen sexuellen Missbrauchs: "Wir sehen, wie viele danach noch rufen, gehört zu werden."
Unter Beifall sagte die ehemalige Bundesfamilienministerin zur bisherigen Aufklärungsarbeit: "Das alles reicht noch nicht, da muss noch mehr Butter bei die Fische." Die SPD-Politikerin schlug unter anderem freiwillige Entschädigungszahlungen durch die verantwortlichen Institutionen in Höhe von 1.500 bis 50.000 Euro vor, die sich an der Höhe des Schmerzensgeldes orientierten, das zum Tatzeitpunkt zu erzielen gewesen wäre.
Darüber hinaus sprach sie sich für den Ausbau der Beratung und Therapiemöglichkeiten für die Opfer aus. Die unabhängige Stelle für Betroffene müsse zudem über den Oktober hinaus mit einer veränderten Aufgabenstellung fortgeführt werden. So müsse die Stelle dann auch die Umsetzung der Empfehlungen kontrollieren, sagte Bergmann. Zudem sei eine Reform des Opferschutzgesetzes notwendig.
EKD-Ratsvorsitzender: Leid führt zu neuer Gotteserfahrung
Leid und Schmerz können nach den Worten des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, "Wege zu neuen und unerwarteten Gottesbegegnungen öffnen". Möglicherweise beschneide Gott die Herzen der Menschen, damit sie ihre Herzen neu für seine Liebe und für ihre Liebe zu Gott öffneten, sagte Schneider am Freitag bei einer Bibelarbeit auf dem evangelischen Kirchentag in Dresden. An der Bibelarbeit beteiligte sich auch Schneiders Frau Anne. Die jüngste Tochter des Paares, Meike, war im Jahr 2005 an Leukämie gestorben.
Mit einer theologisch-dogmatischen Rechtfertigung für schmerzhafte Leiderfahrungen tue er sich schwer, sagte Schneider laut Redemanuskript. Die Frage nach dem gerechten Handeln Gottes lasse sich an dieser Stelle nicht beantworten. "Und es steht keinem Menschen zu, das Schicksal anderer in dieser Weise zu analysieren", sagte er. Möglich sei aber "ein persönliches Bekenntnis betroffener Menschen über ihr Verstehen der eigenen Lebenskatastrophen".
Mit Blick auf die Bücher Mose des Alten Testaments erläuterte Schneider: "Die Beschneidung seines Herzens bestand bei Abraham in einer radikalen Herauslösung aus gewohnten Lebenszusammenhängen: Sein altes Denken musste er überwinden, und neue Lebensvollzüge musste er einüben."
Ebenso wie ihr Mann betonte Anne Schneider die Bedeutung von Reue und Umkehr innerhalb des Bundes mit Gott. "Gott erwartet von mir immer wieder neu Reue und Umkehr - das kann ich wirklich als Gottes Wort für mich heute verstehen", sagte sie. Dies gelte für die persönliche Alltagswelt und auch für die großen politischen Zusammenhänge.
Der EKD-Ratsvorsitzende betonte, die Christen müssten, angeleitet durch Gottes Gebote und nach dem Vorbild Jesu Christi, verantwortlich handeln: "Unsere Katastrophe heißt nicht: 'Verlust des Gelobten Landes'. Unsere Katastrophe hat viele Namen: Sie heißt 'Gottlosigkeit und Vergötzung des Marktes', sie heißt 'Überschätzung und Überhöhung der Naturwissenschaften', sie heißt 'Klimakatastrophe, Umweltzerstörung und Flüchtlingsströme', sie heißt 'Ausbeutung, Hunger und Ungerechtigkeit', sie heißt 'Folter, Krieg und Terror'."
Göring-Eckardt wirbt für mehr Gottvertrauen
Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat in ihrer Bibelarbeit zu mehr Gottesvertrauen aufgefordert. "Gott lässt nicht allein", sagte die Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestages am Freitag in Dresden laut vorab verbreitetem Redemanuskript. "So übervoll wir von Krisen und Sorgen sind, so wenig wir ahnen, wo der Ausweg ist und ob wir ihn schaffen, so sehr dürfen wir wissen: Gott geht mit." Gott gebe die Menschen nicht auf.