NS-Gedenkstätte Sobibor macht aus Geldmangel dicht
Sobibor gilt neben Auschwitz-Birkenau, Treblinka oder Belzec weltweit als Holocaust-Symbol. Die NS-Gedenkstätte in Polen kämpft seit langem mit Geldproblemen. Nun hat der Leiter der Einrichtung das Museum dicht gemacht.
03.06.2011
Von Jacek Lepiarz

Mehr als zehn Jahre hat Marek Bem hartnäckig um einen festen Platz der NS-Gedenkstätte Sobibor in der polnischen Museumslandschaft gekämpft. Der langjährige Leiter der Einrichtung im Osten Polens legte wegen des Personalmangels auch selbst Hand an, etwa wenn er den Kiesweg zum Museum per Harke in Ordnung brachte.

"Ohne das Geld kann die Einrichtung nicht funktionieren"

Doch nun hat der 50-jährige Anthropologe das Handtuch geworfen: "Wir haben das Museum dicht gemacht" sagte Bem mit viel Wut in der Stimme am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Bis auf weiteres soll das Museum mit seiner ständigen Ausstellung wegen Geldmangels für Besucher geschlossen bleiben.

"Ohne das Geld kann die Einrichtung nicht funktionieren", erläuterte Bem. Deshalb hätten er und seine Mitarbeiter das Gelände verlassen und alle Aktivitäten, auch die Führungen für Touristen, eingestellt. Nur privat schaue er manchmal vorbei, er fühle sich mit diesem Ort sehr verbunden, erzählt Bem, der seit vergangenem Jahr Sprecher der Gedenkstätte ist. Das 60 Hektar große Gelände des ehemaligen Lagers mit historischer Bahnrampe ist nicht eingezäunt und bleibt weiterhin zugänglich.

Die Gedenkstätte Sobibor ist eine Filiale des Regionalsmuseums im benachbarten Wlodawa an der Grenze zur Ukraine. Die lokalen Behörden in der eher armen Region machten seit langem Probleme bei der Finanzierung der Einrichtung geltend. Im diesjährigen Haushalt des Landkreises wurden die Gelder für Sobibor halbiert. Die Folge: die Hälfte der Mitarbeiter musste entlassen werden. Das polnische Kulturministerium will die Finanzierung erst ab 2012 übernehmen. Alle Versuche, eine Zwischenlösung zu finden, seien gescheitert, klagt Bem.

1943: Aufstand in Sobibor

In den Gaskammern des Vernichtungslagers Sobibor im besetzten Polen ermordeten die Nationalsozialisten vom Mai 1942 bis September 1943 etwa 250.000 Juden aus Polen, den Niederlanden, Tschechien anderen besetzten Ländern Europas. Auch Juden aus Deutschland starben dort. Außer 30 SS-Männern gehörten zur Wachmannschaft des Lagers auch rund hundert Ukrainer, darunter John Demjanjuk. Er wurde vor knapp einem Monat in München wegen Beteiligung am Massenmord zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Mitte Oktober 1943 wagten einige Häftlinge den Aufstand, töteten mehrere SS-Männer sowie ukrainische Wachleute und flohen in den Wald. Nur einige Dutzend der rund 500 Flüchtlinge überlebten den Ausbruch. Die meisten starben in den Sümpfen oder wurden gefangen und hingerichtet. Nach dem Aufstand schlossen die Nazis das Lager, verbrannten die Baracken und zerstörten die Gaskammern. Die Asche der Toten wurde über die Felder verstreut.

Mehr Opfer als bisher angenommen?

Auch wenn "sein" Museum geschlossen bleibt, wird Bem weiterhin viel zu tun haben. Viele Zahlen und Fakten über Sobibor müssten korrigiert werden, behauptet er. Im Herbst soll sein neues Buch über NS-Lager auf den Markt kommen. Darin will er unter anderem beweisen, dass es 100.000 Opfer mehr als bisher angenommen - nämlich 350.000 gegeben habe. Und als Mann klarer Worte macht Bem auch keinen Hehl aus seiner Meinung über die deutsche Verantwortung für die NS-Gedenkstätten: "Das ist die deutsche Geschichte, daher sollten die Deutschen, nicht der polnische Staat, die Kosten tragen".

dpa