Die Anschlagfrequenz der Aufständischen in Nordafghanistan ist so hoch, dass die Bundeswehr nicht einmal mehr zum Innehalten kommt. Immer neue Angriffe lassen kaum noch einen Moment des Gedenkens an die Toten zu. An diesem Freitag wird in Hannover erstmals Opfern von gleich zwei Anschlägen die letzte Ehre erwiesen: Am vergangenen Samstag waren in der Stadt Talokan zwei Soldaten ermordet worden, ein dritter Soldat war wenige Tage zuvor in der Provinz Kundus gefallen. Noch vor der Trauerfeier stand Deutschland nun die nächste Schreckensnachricht ins Haus.
Ein Bundeswehr-Soldat wurde am Donnerstag bei einem Sprengstoffanschlag in der Provinz Baghlan getötet. Fünf weitere Soldaten wurden verletzt, zwei davon schwer. Seit beinahe einem Jahrzehnt stehen deutsche Soldaten nun am Hindukusch. Doch drei tödliche Anschläge auf die Bundeswehr in neun Tagen - das hat es in dem Einsatz noch nie gegeben. Die blutige Bilanz: insgesamt vier tote und ein Dutzend verwundete Soldaten.
Der General muss in Detuschland behandelt werden
Unter den Verletzten ist auch General Markus Kneip, das bislang ranghöchste Opfer der Aufständischen. Den Taliban ist es gelungen, den Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf für Nordafghanistan zumindest vorübergehend außer Landes zu bomben: Kneip wird im Bundeswehr-Zentralkrankenhaus in Koblenz wegen Verbrennungen behandelt, außerdem hat er ein Schrapnell im Körper. Erst nach drei Wochen will er nach Masar-i-Scharif zurückkehren.
Am Donnerstag waren die Soldaten mit einem Schützenpanzer vom Typ Marder unterwegs, einer der mächtigsten Waffen, die die Truppe am Hindukusch im Kampf gegen die Taliban einsetzt. Die Aufgabe ihrer Kompanie: entlang einer Hauptverbindungsstraße nach Sprengfallen zu suchen. Ausgerechnet ein solcher improvisierter Sprengsatz - im Militärjargon IED (für Improvised Explosive Device) abgekürzt - wurde den Soldaten dann zum Verhängnis.
Der US-Sender CNN nannte IEDs "den Nummer-Eins-Killer der Nato-Truppen in Afghanistan". Sie sind die effektivste Waffe der Taliban. Nach schweren Verlusten setzen die Aufständischen viel weniger als früher auf das offene Gefecht mit den hochgerüsteten Soldaten der Nato-geführten Isaf. Die Taliban wissen, dass sie den internationalen Truppen - und den mit ihnen operierenden afghanischen Sicherheitskräften - durch Bombenfallen auf den Straßen viel größeren Schaden zufügen.
Wie lange gibt es noch Unterstützung für den Einsatz in Afghanistan?
Und die Sprengsätze sind im Laufe des Krieges professioneller geworden. Ein deutscher Unteroffizier, der zur Kampfmittelbeseitigung in Kundus eingesetzt war, sagte bereits vor einiger Zeit, die Taliban verstünden das tödliche Geschäft immer besser: "Es hat zugenommen an Quantität und Qualität. Die haben auf jeden Fall auch ausgebildetes Personal." Experten der Aufständischen würden die Sprengsätze zusammenbauen, die einfache Kämpfer dann am Straßenrand verstecken.
Die Taliban setzen allerdings nicht nur auf IED. Teil ihrer Strategie scheint auch die Unterwanderung der afghanischen Polizei und Armee zu sein. Fälle, die einen entsprechenden Verdacht nahelegen, häufen sich jedenfalls. Der Tote und die Verletzten vom Donnerstag kamen vom Außenposten OP North, wo im Februar ein afghanischer Soldat drei deutsche Kameraden erschoss. Auch ein australischer Soldat wurde jüngst durch einen Mann erschossen, der die Uniform der afghanischen Armee trug. Und nach dem Anschlag in Talokan wurden nun fünf afghanische Polizisten festgenommen. Sie stehen im Verdacht, die Attentäter unterstützt zu haben. Die Verdächtigen sollten den Sitz des Gouverneurs schützen - in dem am vergangenen Samstag dann eine Bombe ferngezündet wurde.
Trotz der Anschläge hält die Bundesregierung an ihrem Kurs in Afghanistan fest. "Unsere Strategie ist richtig, sie greift, die Taliban verlieren an Boden", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Donnerstag beim Kirchentag in Dresden. "Vor Gewalt darf man nicht weichen." Die ohnehin schon schwache Unterstützung in der Bevölkerung für den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch dürften die jüngsten Anschläge allerdings weiter sinken lassen. "Es wird eng für uns in Afghanistan", sagt ein deutscher Landeskenner. "Lange machen unsere Landsleute das nicht mehr mit."