Sachsens Landesbischof Jochen Bohl hatte bereits am Mittag auf die "nicht ganz kleine organisatorische Herausforderung" des Dresdner Kirchentages verwiesen. Es sei ein Projekt der ganzen Stadt und der Region geworden. "Schon jetzt hat sich dieser Kirchentag für uns gelohnt", betonte der evangelische Bischof.
In seiner Predigt zur Kirchentagslosung "...da wird auch dein Herz sein" warnte Bohl vor dem Streben nach Geld und Macht. Irdische Schätze seien vergänglich, das rastlose Streben danach habe in die weltweite Finanzkrise geführt. Jesus Christus fordere dazu auf, "himmlische Schätze" zu sammeln etwa durch Nächstenliebe. Mit dem "Haben-Wollen" werde "das Herz eng und hart, es kommt zu Konflikten, die Liebe wird gefährdet." Im Herzen verdichte sich aber, "was uns zur Person macht, die wir sind".
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Wer statt Renditezielen die Hilfe für arme Menschen im Blick habe, folge einem Gegenmodell zum "Geld regiert die Welt", unterstrich Bohl. Es sei die Vision eines Lebens in Freiheit - "unbelastet von den Zwängen, in die das Streben nach irdischen Schätzen führt". Kaum ein Instinkt sei so stark, wie der Wunsch zu besitzen, räumte der Landesbischof ein: "Besitz und Vermögen haben etwas Verführerisches an sich, es umgibt sie ein Versprechen von Sicherheit, von Erfolg und Macht." Doch wer damit beginne, himmlische Schätze zu sammeln, werde entdecken, dass im Herzen eine Veränderung eintrete, die dem Leben diene.
In einem Gottesdienst auf dem Altmarkt der sächsischen Landeshauptstadt sagte Fabiny, die Kirchen in Ost und West müssten nach "himmlischen Gütern" suchen. "Dazu gehört auch, dass die Korruption, die Fremdenfeindlichkeit, der Antisemitismus und die Roma-Feindlichkeit als Sünde benannt werden müssen." Niemandem dürfe Leid angetan werden, nur weil er eine andere Hautfarbe, eine andere Religion, eine andere Muttersprache oder eine andere sexuelle Identität habe, mahnte der Bischof aus Budapest. Er kritisierte einen neuen Materialismus, den man "Konsumidiotismus" nennen könne.
In seinem Grußwort zur Eröffnung rief Bundespräsident Christian Wulff die beiden großen Kirchen in Deutschland zu mehr Ökumene auf. "Ich bin kein Theologe. Aber ich weiß: Viele Menschen in beiden Kirchen wünschen sich, genau wie ich, mehr ökumenische Zusammenarbeit, mehr Mut, aufeinander zuzugehen, mehr gemeinsames Handeln und Beten", sagte er laut Redemanuskript. "Viele Menschen in beiden Kirchen wissen, dass die christliche Botschaft in Zukunft nur glaubwürdig ist, wenn sie von allen Christen gemeinsam bezeugt, gemeinsam gelebt wird."
Einer der drei Eröffnungsgottesdienste des Kirchentages fand vor der Dresdner Frauenkirche statt. Foto: epd-bild / Norbert Neetz
"Das Land der Reformation sollte noch mehr das Pionierland der Ökumene werden", erläuterte Wulff, der katholisch ist. Auch die Kirchen bräuchten sich gegenseitig. "Das haben die meisten längst begriffen." Es freue ihn, wenn er Beispiele für die alltägliche Ökumene sehe, die an vielen Stellen selbstverständlich geworden ist. "Als ich am vergangenen Sonntag in Prillwitz in Mecklenburg war, feierte der evangelische Pfarrer ganz selbstverständlich mit uns in einer katholischen Kapelle Gottesdienst."
Insgesamt besuchten nach Veranstalterangaben etwa 84.000 Menschen die über die Stadt verteilten Gottesdienste, alleine 55.000 kamen zu der Feier auf den Elbwiesen. Auf dem Altmarkt feierten den Angaben zufolge 17.000 Kirchentagsbesucher, auf dem Neumarkt kamen zu einem Gottesdienst in leicht verständlicher Sprache 12.000 Menschen zusammen.
Für den Dresdner Kirchentag haben sich 118.000 Dauerteilnehmer angemeldet, deutlich mehr als bei den vergangenen Treffen 2009 in Bremen und 2007 in Köln. Ursprünglich rechneten die Veranstalter mit gut 100.000 Teilnehmern. Nun räumen sie ein, von der großen Resonanz überrascht zu sein. Als Ursache sieht Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt nicht nur die große Anziehungskraft Dresdens. Die von Finanzkrise und japanischer Atomkatastrophe überschatteten Zeiten führten zu großem Diskussionsbedarf. Bürger wollten mehr denn je an politischen Diskussionen beteiligt werden. "Dafür bietet der Kirchentag ein Forum", betont sie.
Zwei Kirchentags-Mitarbeiterinnen verkaufen auf der Augustusbrücke in Dresden grüne Tücher mit dem Logo des Kirchentages. Foto: dpa
Zu den unzähligen Podien mit politischen, kirchlichen und ethischen Themen kommen Gottesdienste, Andachten, Vorträge, Konzerte, Theater. Das Programm listet 2.300 Einzelveranstaltungen. Viele Prominente reisen an die Elbe, darunter Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (beide CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel, Sängerin Nina Hagen, Schauspielerin Iris Berben sowie der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, und seine Vorgängerin Margot Käßmann.
Eine Region stellt sich vor
Ein großer Teil der Unterstützung kommt aber aus Sachsen selbst. Hunderte Kirchgemeinden und Bläsergruppen bereiteten die offizielle Eröffnung mit drei Gottesdiensten und dem anschließenden Begegnungsabend vor. Für sie ist es eine Gelegenheit, ihre Regionen mit speziellen Speisen und kulturellen Beiträgen vorzustellen. Sachsens Landesbischof Jochen Bohl sagt, der Kirchentag sei zu einem "Projekt der ganzen Stadt und der Region" geworden. Zunächst hätten alle gedacht, das Treffen werde "in die Fremde" vergeben, so Bohl. Er verweist darauf, dass nur etwa jeder vierte Dresdner einer Religionsgemeinschaft angehört. Aber es sei anders gekommen. "Unzählige Nichtchristen" hätten kostenlose Schlafplätze in ihren Wohnungen zur Verfügung gestellt.
Ankunft von Kirchentagsgästen am Dresdner Hauptbahnhof. Foto: epd-bild / Stefan Arend
Die sächsische Landeshauptstadt steht in den kommenden Tagen vor einem logistischen Kraftakt. Im Nahverkehr rollt alles, was Räder hat, versichern Verantwortliche. Knapp 40.000 Gäste kommen in Gemeinschaftsunterkünften wie Schulen unter. Bäcker leisten Überstunden und liefern Hunderttausende Brötchen extra. Zelte mit einer Gesamtfläche von 30.000 Quadratmetern wurden aufgebaut, Sanitäter sind auf schnelle Hilfe vorbereitet. Dies gilt nicht zuletzt auch wegen des EHEC-Keims. Kirchentagsgeschäftsführer Hartwig Bodmann kündigte kurz vor der Eröffnung an, dass Gurken, Tomaten und Blattsalat von den Speiseplänen gestrichen worden seien.
Bereits am Nachmittag wurden rund 130 Fahrrad- und Fußpilger aus ganz Deutschland zum Start des Laientreffens begrüßt. Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär empfing die Pilger mit den Worten: "Kirchentag heißt Bewegung, und Christ sein heißt Bewegung." Die Fußgänger und Radfahrer kamen unter anderem aus Bremen, Hamburg, Berlin und aus Süddeutschland und waren zum Teil schon mehrere Tage unterwegs.
Bombenalarm und Wasserschaden
Am Vormittag löste ein vermeintlicher Bombenfund Alarm im Dresdner Hauptbahnhof aus. In einem Fernzug von Berlin nach Prag entdeckte ein Zugbegleiter auf einer Toilette eine verdächtige Plastiktüte. Die Polizei sperrte daraufhin zwei Bahnsteige und zwei Waggons. "Gefunden wurde Pyrotechnik und ein Feuerzeug", sagte ein Sprecher der Bundespolizei dem Evangelischen Pressedienst (epd): Der Fund habe "definitiv nichts mit dem Kirchentag zu tun". Am Nachmittag störte zudem ein Wasserschaden in der Kuppelhalle des Dresdner Hauptbahnhofes den Reiseverkehr vermutlich tausender Kirchentagsgäste. Ein Teil des Bahnhofs musste gesperrt werden.
Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt (links) und Generalsekretärin Ellen Ueberschär bei der Vorab-Pressekonferenz. Foto: dpa
Nicht nur Dresden hat sich auf das evangelische Glaubensfest vorbereitet. In der ganzen Region findet das Treffen offenbar großen Anklang, denn jeder dritte Gast kommt aus der Region zwischen Prag und Berlin, Eisenach und Görlitz. Dies sei 1997 beim Kirchentag in Leipzig noch nicht der Fall gewesen. Die Grünen-Politikerin Göring-Eckardt sagt: "Das ist der erste wirklich gesamtdeutsche Kirchentag seit 1961, als der Bau der Mauer durch Berlin auch die Kirchentagsbewegung in Ost und West trennte".
Für einen speziellen Ostfaktor sprich aber auch die Lage Dresden in relativer Nähe zur Grenze nach Tschechien und Polen. Erstmals gibt es auf einem Kirchentag ein eigenes Zentrum Mittel- und Osteuropa. Tausende Gäste vom Baltikum bis zum Balkan kommen. Dresden bietet zudem viele Orte, die im Herbst 1989 eine große Rolle spielten. Der Kirchentag lebe auch von dem Aufbruch in die Freiheit vor über 20 Jahren, unterstrich Ueberschär.
Die Veranstalter erwarten, dass von Donnerstag bis Samstag jeweils rund 127.000 Menschen die Angebote des Kirchentages nutzen. Nicht eingerechnet sind dabei die Besucher der abendlichen Großkonzerte. Zum "Abend der Begegnung" wurden für Mittwochabend 250.000 Menschen auf den Straßen der Stadt erwartet. Für den Schlussgottesdienst auf den Elbwiesen am Sonntagvormittag wird mit etwa 100.000 Gläubigen gerechnet. Das Kirchentagspublikum ist jung und weiblich: Etwa 40 Prozent der Dauerteilnehmer sind jünger als 30 Jahre. Rund 60 Prozent der Kirchentagsbesucher sind Frauen.