Sie hoffen auf neue Märkte und das Wissen deutscher Spezialisten: Chinesische Investoren drängen nach Deutschland, um Unternehmen zu kaufen. Jüngstes Beispiel ist die geplante Übernahme des Elektronikherstellers Medion durch den Computerbauer Lenovo. Erstmals greift damit ein chinesischer Investor nach einem bekannten deutschen Unternehmen. Diese Entwicklung werde künftig zunehmen, glauben Experten. Und sagen: Kein Grund zur Panik.
China wolle sich auf dem Weltmarkt positionieren, sagt Rudolf Wagner, Sinologie-Professor an der Uni Heidelberg. "Da geht es im Wesentlichen um Fertigungsgeschick und Ingenieurserfahrung - und wenn man das mit einem Unternehmen kaufen kann, ist das ganz großartig, weil man damit dann auch Exportchancen hat." Chinesische Unternehmen versuchten daher, sich im Ausland strategische Ressourcen zu sichern. Zunächst sei es vor allem um Rohstoffe gegangen. Immer gefragter seien inzwischen aber hochwertige Konsumgüter und High-Tech-Kompetenzen, die es in China so nicht gebe.
Übernahmen erwartet
Wagner rechnet mit vielen weiteren Übernahmen deutscher - gerade auch größerer - Unternehmen durch chinesische Investoren. Die Entwicklung müsse hierzulande aber niemandem Angst machen, sagt er. "Ich sehe das als einen Prozess der normalen Globalisierung ökonomischer Verhältnisse." Schließlich seien in China auch zahlreiche deutsche Investoren aktiv.
Und dazu hätten die Chinesen immerhin auch eine positive Einstellung - sie dächten sich: "Die bringen Technologie, die bringen Kapital, die bringen Markt- und Management-Erfahrung - prima." In China herrsche ein riesiger Mangel an Managern, daher würden deutsche Führungskräfte nach einem Zukauf häufig übernommen. Sie hätten dann auch gute Aussichten, zunächst ihren alten Posten zu behalten.
Auch die Wirtschafts-Sinologin Simona Thomas von der Freien Universität in Berlin warnt vor Panikmache: "Die weltwirtschaftliche Integration Chinas war ein Ziel aller Nationen der letzten 30 Jahre", sagt sie. "Alle großen multinationalen Unternehmen sind selbst in China aktiv oder im Verbund mit chinesischen Unternehmen." Die jetzige Entwicklung sei einfach ein nächster Schritt.
An Geld herrscht kein Mangel
Chinesische Großinvestoren übernehmen bekannte deutsche Unternehmen - auch Maximilian Mayer, China-Experte an der Uni Bonn, sieht diesen Trend. "Das fängt jetzt richtig an und wird in Zukunft verstärkt weitergehen, schlichtweg, weil die Chinesen volle Börsen haben", sagt er. In finanziell angeschlagenen Ländern wie Portugal oder Griechenland investiert China auch in Staatsanleihen.
Die meisten chinesischen Unternehmen machten ihren größten Profit im eigenen Land und wollten sich internationalisieren, sagt Mayer. Daher hätten sie an deutschen Firmen langfristig Interesse - und an bekannten Markennamen. "Die meisten chinesischen Unternehmen sind weder auf dem amerikanischen noch auf dem europäischen Markt wirklich bekannt", sagte Mayer. "Es hat eine enorme Imagewirkung, wenn man eine Marke nutzen und kontrollieren kann - und dazu muss man eben große und bekannte Firmen kaufen." Eine Motivation der Chinesen sei auch, Kontakte des erworbenen Unternehmens nutzen zu können.
Die chinesischen Investitionen könnten in Deutschland sogar Arbeitsplätze sichern, ist Mayer überzeugt. Wenn durch die Übernahme der Marktanteil eines Unternehmens in Europa steige, würden mehr Mitarbeiter in Vertrieb und Marketing gebraucht. Und die Produktion sei schließlich oft sowieso schon in China.