TV-Tipp des Tages: "Von Mäusen und Lügen" (ARD)
Das Drehbuch lebt vor allem von den emotionalen Wechselbädern: hier die Romanze zwischen Arnold und Mathilda, dort die gemeinen Streiche, mit denen Gregor die Mieterin rausekeln will.
01.06.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Von Mäusen und Lügen", 10. Juni, 20.15 Uhr im Ersten

Nur weil ein Mann beim Chinesen einen Glückskeks nach dem anderen verputzt, ist er nicht automatisch unglücklich. Genau das jedoch glaubt Mathilda, eine hübsche junge Frau, die längst Karriere als Flötistin gemacht hätte, wenn da nicht ihre vermaledeite Prüfungsangst wäre. Hals-Nasen-Ohren Arzt Arnold aber ist keineswegs unglücklich, selbst wenn er sich derzeit darauf beschränkt, seinen Mitmenschen zum kleinen Glück zu verhelfen. Als ein Patient, der davon lebt, Zierteiche anzulegen, über schlechte Geschäfte klagt, bestellt Arnold kurzerhand einen Teich bei ihm.

Mit Ulrich Noethen, Heie von Stetten und Melika Foroutan

Ulrich Noethen ist einer der wenigen Schauspieler, die für Komödien und Tragödien gleichermaßen talentiert sind: weil er seine Figuren ohnehin stets auf schmalem Grat balancieren lässt. Meist genügen Nuancen, um sie in die eine oder die andere Richtung zu bewegen. Und oft genug ist die Wirkung am komischsten, wenn Noethen keine Miene verzieht. Auch "Arnie" macht meist gute Miene zum bösen Spiel. Für letzteres ist sein Freund Gregor (Heie von Stetten) zuständig. Der will mit Arnie ein Tinnitus-Zentrum eröffnen. Dafür brauchen sie Platz. Arnie hat die HNO-Praxis seines Vaters geerbt; und den Rest des Hauses gleich dazu. Zur Gemeinschaftspraxis fehlt bloß noch der Wohnraum, den der alte Zabel (Fred Stillkrauth) blockiert. Als er endlich das Zeitliche segnet, scheint der Weg frei. Aber Zabels Enkelin (Melika Foroutan) steht ebenfalls in dem unbefristeten Mietvertrag, und weil es sich um die entzückende Glückskeksbekanntschaft handelt, bringt es Arnie einfach nicht übers Herz, ihr die Wahrheit zu sagen. Während Gregor nach der Devise "Entmietungsterror" Mathilda das Leben mit immer perfideren Aktionen schwer macht, werden die Anziehungskräfte zwischen dem Arzt und seiner Nachbarin immer größer; bis er ihr die Wahrheit gesteht.

Das Drehbuch (Thomas Bahmann und Ralf Hertwig) lebt vor allem von den emotionalen Wechselbädern: hier die Romanze, dort die gemeinen Streiche, mit denen Gregor die Mieterin rausekeln will. Das Spektrum reicht von Insekten und Mäusen über einen wasserbedingten Deckensturz bis hin zur Verwüstung der kompletten Wohnung. Der Einfallsreichtum der beiden Autoren ist ohnehin bemerkenswert; nicht nur die Romanze, auch das mitunter dramatische Züge annehmende Familienleben des geschiedenen Arnolds, alleinerziehender Vater einer selbstbewussten 17jährigen Tochter, lebt von vielen lebensnahen Details. Eine zusätzliche Komplikation erfährt Arnolds nicht mehr länger beschauliches Dasein durch die Avancen seiner Ex-Frau (Katharina Abt), die sich ihm buchstäblich an den Hals wirft.

Sibylle Tafel ("Der Butler und die Prinzessin", "König Drosselbart") hat schon in diversen romantischen Komödien bewiesen, wie sehr ihr das Genre liegt. Auch hier sorgt sie dafür, dass die Darsteller ihre Arbeit sorgfältig dosieren und immer den richtigen Ton treffen. Bei den jungen Schauspielern (vor allem Vanessa Krüger als Arnies Tochter) fällt das besonders auf. Und weil die verschiedenen Slapstick-Szenen, meist in Zusammenhang mit den Sabotageakten, ähnlich gut gelungen sind, ist "Von Mäusen und Lügen" ein überaus kurzweiliges Vergnügen geworden.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).