"Der Kommissar und das Meer: Sommerzeit", 9. Juni, 20.15 Uhr im Zweiten
Die ZDF-Reihe "Der Kommissar und das Meer" ist der gelungene Versuch, zwei Stile zu vereinigen: hier die gelassene Erzählweise der Nordeuropäer, die ihre grausamen Morde gern vor ausgesucht idyllischem Hintergrund begehen lassen; dort die deutsche Tradition des Kommissars als emotionales Zentrum der Geschichte. Walter Sittler passt als eingeheirateter Ermittler perfekt in dieses Ensemble aus Landschaft, Meer und Verbrechen, zumal Hauptkommissar Robert Anders im Gegensatz zu seinen meisten deutschen Kollegen als Refugium eine Familie hat. Dass die Schwedin Mari Jungstedt ihre Romane ausgerechnet auf dem malerischen Gotland angesiedelt hat, ist ähnlich perfide wie die Idee, die schöne Bodenseeregion zum "Tatort" zu machen.
Auch in "Sommerzeit" ereignen sich die Todesfälle aus buchstäblich heiterem Himmel. Die verschiedenen Gewalttaten haben jedoch eine Vorgeschichte: im Prolog tummeln sich zwei Schwestern, beide um die 15 Jahre alt, am Strand. Sie feiern den Geburtstag des älteren Mädchens mit viel Alkohol; am nächsten Tag wird es tot aus dem Meer gefischt. In einer Einstellung von schockierender Brutalität nimmt sich kurz drauf der Vater der beiden das Leben: Man sieht von hinten, wie er sich die Pistole an die Schläfe setzt, abdrückt und zur Seite kippt; nun wird der Blick frei auf die entsetzte Tochter, die den Suizid mit ansehen musste.
Suche nach dem Mörder eines Sprengmeisters
Viele Jahre später sucht Anders nach dem Mörder eines Sprengmeisters. Der Tote war, wie sich zeigt, morphiumsüchtig, und hat das Schmerzmittel offenbar auch in großem Stil geschmuggelt. Sein Kompagnon ist ein Arzt, der seine Patienten vorsätzlich in die Abhängigkeit getrieben hat. Kurz drauf ist der Doktor allerdings ebenfalls tot, und Anders steht vor einem Rätsel, bis ihm endlich ein Licht aufgeht: Dem Arzt kam er auf die Schliche, weil er im Besitz des toten Sprengmeisters einen alten Schnappschuss gefunden hatte. Das Foto zeigt die beiden Männer, die nun tot sind. Aber wer hat es aufgenommen?
Dank Bildgestaltung (Natalie Wiedemann), Regie (Anno Saul) und einer Romanadaption (Henriette Piper, Peter Petersen), die den Stil der Jungstedt-Vorlagen respektiert, sich aber trotzdem von den Büchern emanzipiert, ist auch "Sommerzeit" ein dicht erzählter, sehenswerter Krimi. Die Zwischenspiele mit Anders’ Mutter (Nicole Heesters), die offenbar jahrzehntelang kaum Kontakt zu ihrem Sohn hatte, dienen zwar nicht der Wahrheitsfindung, sorgen aber für heitere Momente, in denen der Krimi neue Spannung aufbaut.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).