"Kommissarin Lucas: Gierig", 4. Juni, 20.15 Uhr im Zweiten
Bislang hat Ralf Huettner, kürzlich mit dem Deutschen Filmpreis für "Vincent will Meer" ausgezeichnet, das Krimigenre vorzugsweise komödiantisch behandelt; die Trilogie "Die Musterknaben" war so etwas wie eine Hommage an alle Antihelden und bescherte dem ZDF diverse Sternstunden. Sein Beitrag zur fast durchgängig herausragenden Krimireihe "Kommissarin Lucas" ist völlig anders. Großen Anteil daran hat die Rückbesinnung auf die Anfänge. Die Titelfigur unterscheidet sich ganz erheblich von ihren TV-Kolleginnen, weil sie gar nicht erst versucht, sich diplomatisch oder warmherzig zu geben. Ellen Lucas ist von rigoroser Moralität und tritt entschieden für Gerechtigkeit ein.
Die Steuerfahndung funkt dazwischen
"Mit einem Mörder macht man keine Geschäfte": Das empörte Verdikt der Regensburger Kommissarin ist der Schlüsselsatz dieser Geschichte. In deren Mittelpunkt steht ein Investment-Banker, der verdächtigt wird, eine Kollegin ermordet zu haben. Es war eine ausgezeichnete Idee, die Rolle des Gegenspielers mit Devid Striesow zu besetzen. Er versieht den Finanzberater mit genau der richtigen Mischung aus Skrupellosigkeit, Sarkasmus und Sympathie, so dass man bis zum Schluss nicht weiß, ob dieser Christian Wittbach Opfer oder Täter ist. Für Ellen Lucas ist der Fall allerdings klar, zumal die Frau auf Wittbachs Boot ermordet worden ist.
Deshalb reagiert sie auch so empört, als ihr die Steuerfahndung dazwischen funkt: Der Banker ist angeblich im Besitz einer CD mit Daten über deutsche Steuerflüchtlinge. Die hatte zuvor seiner Kollegin gehört, die tot aus der Donau gefischt worden ist. Die Frau, wie Wittbach Angestellte einer Schweizer Privatbank mit Filiale in Regensburg, hatte 1,8 Millionen Euro dafür gefordert. Nun will Wittbach kassieren, und das bayerische Finanzministerium ist bereit, sich auf den Deal einzulassen. Prompt kommt es zum Kompetenzgerangel zwischen dem zuständigen Steuerfahnder (Herbert Knaup) und Ellen Lucas, für die Wittbach in erster Linie ein Mordverdächtiger ist.
Dem Titel ("Gierig") entsprechend inszeniert Huettner den Film konsequent düster. Sein Regensburg ist alles andere als ein beschaulicher Ort, den Aufnahmen ist jede Buntheit ausgetrieben (Kamera: Sten Mende). Mit Ausnahme der direkten Ermittler handelt keine der Figuren aus lauteren Motiven; auch Lucas’ Chef (Michael Roll) verhält sich alles andere als vorbildlich. Das ohnehin vorzügliche Reihen-Ensemble ist vortrefflich ergänzt worden. Eine wichtige Rolle spielt Jeanette Hain als Wittbachs Frau, die um ihre Ehe kämpft. Geschickt verknüpft das Drehbuch (Florian Iwersen, Stefan Holtz und Huettner) diese private Ebene mit der wirtschaftlichen Seite der Geschichte. Als deren Echo soll wohl die Klammer des Films wirken: Lucas’ Schwester Rike (Anke Engelke) wird zu Beginn von einem Bankangestellten überredet, in einem leerstehenden Lokal in Domnähe ein Fischrestaurant zu eröffnen. Zunächst glaubt man noch, der Banker habe mit dem Fall zu tun, zumal er immerhin von Alexander Beyer verkörpert wird; doch am Ende löst sich die ohnehin überflüssige Rahmenhandlung in Wohlgefallen auf.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).