Alois Andritzki: Nach dem Krippenspiel kam die Gestapo
Er starb im Februar 1943 im Konzentrationslager, weil er sich kritisch gegen das NS-Regime geäußert hatte: Alois Andritzki, katholischer Priester aus einer sorbischen Familie, war eines der vielen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Nun spricht ihn die katholische Kirche selig. Zu der Zeremonie am Pfingstmontag (13. Juni) vor der Dresdener Hofkirche werden bis zu 8.000 Menschen erwartet. Andritzki ist der erste Selige des Bistums Dresden-Meißen.
31.05.2011
Von Marius Zippe

In seinem letzten Brief aus dem KZ Dachau vom 23. Januar 1943 heißt es: "Dann könnt ich einen Schal, Hemd, Unterhosen und alte Strickjacke noch gut gebrauchen. 'Für alles Vergelt's Gott!'". Die von Alois Andritzki (sorbisch: Alojs Andricki) erbetenen Kleidungsstücke werden ihn in der winterlichen Kälte wohl nicht mehr erreicht haben. Der sorbische Priester, den die Nazis wegen wiederholter kritischer Äußerungen gefangen hielten, lag bereits mit Hungertyphus im Krankenrevier.

Kurz darauf, am 3. Februar, wurde der Sterbenskranke im Alter von 28 Jahren per Giftspritze getötet. Fast 70 Jahre später spricht ihn die katholische Kirche am 13. Juni in Dresden als Märtyrer selig. Der Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, sagt zum ersten Seligen seiner Diözese: "Er kann den Menschen in unserem Bistum auch heute als Vorbild dienen, für die eigenen Überzeugungen einzustehen und im Glauben Halt zu finden."

Weiteres religiöses Großereignis

Dresden steht kurz nach dem 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag (1. bis 5. Juni) mit der Seligsprechung ein weiteres religiöses Großereignis bevor. Das Bistum rechnet mit gut 8.000 Menschen auf dem Platz vor der Kathedrale. Dort zelebriert als Vertreter des Vatikans Kardinal Angelo Amato eine Messe. Der Präfekt der Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen verliest ein auf Lateinisch verfasstes Schreiben, das auch auf Deutsch und Sorbisch vorgetragen wird. Danach wird ein Porträt des Seligen enthüllt.

Überlieferte Fotos von Andritzki zeigen einen gutaussehenden, schneidig und sportlich wirkenden jungen Mann. Er kam am 2. Juli 1914 als viertes von sechs Kindern eines Lehrers und seiner Ehefrau in Radibor bei Bautzen zur Welt. Nach dem Theologiestudium in Paderborn trat er an der Dresdner Hofkirche 1939 eine Stelle als Kaplan an, wo er als Jugendseelsorger auch die Kapellknaben betreute. Der heute 81-jährige Konrad Wagner sang damals im Chor und erinnert sich.

"Er war ein Mann, der mit beiden Beinen im Leben stand." Damals ungewöhnlich habe Andritzki sich mit "du" anreden lassen. Er sei auf Händen über Tische gelaufen und führte den Jungs Kopfsprünge vom Zehn-Meter-Turm vor. Für Wagner, der die Kapellknaben später selbst leitete, ist es noch etwas gewöhnungsbedürftig, dass der kumpelhafte Andritzki jetzt im übertragenen Sinn auf ein Denkmal kommt.

Auch sportlich ein Vorbild

Mit der Seligsprechung gilt Andritzki vor allem in der Region als Vorbild. Heilige genießen dagegen in der katholischen Kirche weltweite Verehrung. Der Seligsprechung des sorbischen Kaplans ging ein 16-jähriges Prozedere voraus. 1995 bat die Konferenz der sorbischen Priester um Einleitung des Verfahrens. Unterstützer sammelten Dokumente und befragten Zeitzeugen. 2001 leitete Bischof Reinelt die Akten an die vatikanische Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen weiter, im Dezember 2010 unterzeichnete Papst Benedikt XVI. die entscheidenden Dokumente.

Bereits im Februar wurden die sterblichen Überreste Andritzkis und zweier anderer im KZ Dachau umgekommener Priester in die Dresdner Kathedrale überführt. Pfarrer Stephan Delan in Radibor bei Bautzen weist darauf hin, dass die Verehrung für Andritzki bereits unmittelbar nach Kriegsende 1945 begann. Der Impuls für die Seligsprechung sei letztlich von sorbischen Jugendlichen und Studenten ausgegangen. Andritzki, der sich sehr stark für die Kultur und Sprache der slawischen Minderheit einsetzte, war ab 1937 der letzte Sprecher der sorbischen Studentenschaft vor deren Auflösung durch die Nazis.

Schon damals fiel der Theologiestudent den Machthabern als politisch "unzuverlässig" auf, weil er sich angeblich zu freundlich über das benachbarte Polen äußerte. Die Behörden ordneten den Entzug des Passes an, doch Andritzki blieb ein Kritiker. 1941 geriet er nach der Aufführung eines Weihnachtsspiels mit Gestapo-Kontrolleuren aneinander und erzählte den beteiligten Jugendlichen danach, das wohl alle auf die Guillotine kämen und der Kampf bis aufs Messer ginge.

Verhaftung wegen "Hetzereien"

Diese und weitere Worte führten am 21. Januar 1940 zu Haft und einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe wegen "staatsfeindlicher Äußerungen". Trotz Verbüßung musste er in Haft bleiben und wurde im Oktober ins KZ Dachau bei München gebracht, wo die Nazis bis 1945 tausende Pfarrer festhielten. Es müsse angenommen werden, dass er seine "Hetzereien" fortsetzen würde, teilte die Kanzlei des Führers der NSDAP auf Anfrage von Andritzkis Vater mit.

Neben seiner Kumpelhaftigkeit war der Priester zugleich tief gläubig. Das belegen zahlreiche Briefe aus der Haft und dem KZ. Zu Weihnachten 1941 malte er im KZ ein großes Bild für die Kapelle. Leidensgenossen beschreiben ihn auch dort als willensstark und hilfsbereit. Mit akrobatischen Übungen habe er häufig für gute Stimmung gesorgt.

"Er ließ sich eben nicht brechen, sondern trat weiter in seinem Umfeld für seine Überzeugungen und seinen Glauben ein", sagt Bischof Reinelt. Auch sein evangelischer Amtskollege Jochen Bohl würdigt den sorbischen Priester. Er habe in der finsteren Zeit der NS-Diktatur ein großes Zeichen für die Widerstandskraft seines Glaubens gegeben.

Näheres auch im Internet unter www.kaplan-andritzki.de.

epd