Grabspaziergang auf der BUGA: Hier hat Kirche was zu sagen
Im bunten Getriebe der Bundesgartenschau in Koblenz wirkt das Gräberfeld auf der Festung Ehrenbreitstein wie ein Fremdkörper. Die Grabanlagen unter alten Bäumen sehen so echt aus, dass viele Besucher fragen, ob hier tatsächlich Menschen begraben liegen. Erst beim zweiten Blick lassen die künstlerisch gestalteten Grabsteine und die aufwendige Bepflanzung erkennen, dass es sich um die Leistungsschau deutscher Friedhofsgärtner und Steinmetze handelt. Hier wird die hohe Kunst des Gärtnerns auf dem Friedhof präsentiert.
30.05.2011
Von Marlene Grund

Ein kleiner Zug folgt dem Pfarrer und der Flötistin zu ausgewählten Gräbern. Kalle Grundmann vom ökumenischen Projekt "Kirche auf der BUGA 2011" verweilt vor ausgesuchten Grabstätten, die Musikerin stimmt eine getragene Melodie an. Der Theologe erläutert die Komposition der Anlagen und deutet die Symbolik der Pflanzen. Strenge Eiben stehen für Tod und Wiedergeburt, Buchsbaum und Lorbeer für Unsterblichkeit, Veilchen und Vergissmeinnicht für Treue.

"Gräber gehen jeden an"

Gräber und Friedhöfe sind Orte der Erinnerung, der Verbundenheit mit den Toten und der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit, sagt der Pfarrer. Zu all diesen Themen habe Kirche etwas zu sagen. In Koblenz haben sich die Kirchen zum ersten Mal bei einer Bundesgartenschau in die Arbeit der Friedhofsgärtner eingeklinkt. Zwei Mal pro Woche lädt das Projekt "Kirche auf der BUGA 2011" Besucher zum meditativen Grabspaziergang ein, wobei die beiden Pfarrer behutsam theologische Inhalte vermitteln. Das Konzept ist erfolgreich, denn "Gräber gehen jeden an", sagen sie.

Bei der Koblenzer Bundesgartenschau vermittelt der Bund deutscher Friedhofsgärtner einen Einblick in die Begräbniskultur vom 16. Jahrhundert bis heute. Anhand von wenigen Mustergräbern lässt sich eine ganze Entwicklung nachvollziehen. Im 16. Jahrhundert reichte es, wenn das ungeschmückte Grab mit hohen Holz- oder Eisenstäben vor Tieren geschützt wurde.

Erst viel später kam der Wunsch auf, die Individualität des Verstorbenen mit spezieller Bepflanzung und Dekoration auch nach dem Tod sichtbar zu machen. Ab 1900 dominierte das Schmuckbedürfnis und heute wirken zumindest die Mustergräber mit ihren Stelen aus Plexiglas oder geätzten Stahlplatten wie Designerobjekte.

Niemand mag mehr 20 Jahre lang ein Grab pflegen

In Deutschland scheint indes die Tradition individuell gestalteter und liebevoll gepflegter Gräber zu kippen. Der Bund deutscher Friedhofsgärtner sieht eine scharfe Konkurrenz für die klassischen Friedhöfe durch Friedwälder, Seebestattungen und anonyme Beisetzungen. Gefragt seien Bestattungsformen ohne anschließende Grabpflege, sagt Lüder Nobbmann, Bundesvorsitzender der Friedhofsgärtner.

Auch der wachsende Trend zu Urnenbestattungen, die laut Nobbmann bundesweit inzwischen bis zu 75 Prozent aller Beisetzungen ausmachen, sei der Rücksicht auf die Angehörigen geschuldet. Mit dem Kauf eines normalen Erdgrabes verpflichtet man sich zu 20 Jahren Grabpflege, sagt der Gärtner: "Das will heute niemand mehr seinen Kindern zumuten."

Auf der Bundesgartenschau in Koblenz präsentieren die Gartenbauer mit einem sogenannten "Memoriam-Garten" eine Alternative. Verschiedene Grab-Arten sind ohne sichtbare Grenzen in eine kunstvoll angelegte Pflanzung eingebettet. Dennoch hat jeder Verstorbene einen Grabstein mit seinem Namen. 

epd