Wenn der Pastor auf den Trecker steigt
Ohrenbetäubend wummern die historischen Lanz-Bulldog-Traktoren auf und übertönen fast die Glocken der evangelischen Kirche "Zum guten Hirten" im ostfriesischen Münkeboe bei Aurich. Der Kirchplatz füllt sich am Sonntag mit blau-grauen Abgasen, passend zur Lackierung der landwirtschaftlichen Oldtimer. Zwischendurch eine trötende Hupe.
29.05.2011
Von Jörg Nielsen

"Die Traktoren haben die Landwirtschaft in den vergangenen knapp hundert Jahren mehr verändert als alles andere in den Jahrtausenden zuvor", sagt Pastor Wolfgang Beier. Dafür wolle die Gemeinde einmal danken. In den vorindustriellen Zeiten konnten die Menschen in den Moorgebieten gerade sich selbst versorgen, sagt Beier in seiner Predigt. "Mit den Traktoren konnten sie dann unglaublich viel mehr leisten und ihre Produkte auch in die Städte verkaufen." Mit dem Dankgottesdienst verbinde sich mehr als nur Brauchtumspflege. Das Gewummere der Bulldogs sei aus dem Jahresablauf der Gemeinde nicht wegzudenken. "Das ist hier unsere Begleitmusik."

Münkeboe gilt unter Traktorenfans als Hochburg für historische Lanz-Bulldog-Trecker. Im Dorf und seiner Umgebung gibt es auf fast jedem Hof einen Bulldog, wie die Zugmaschinen liebevoll genannt werden. "Lanz-Bulldog" war die Verkaufsbezeichnung für Ackerschlepper, die von 1921 bis 1957 von der Firma Heinrich Lanz AG in Mannheim produziert wurden.

Robuste Geräte, einfache Technik

Die robusten Maschinen zeichnen sich vor allem durch ihre einfache Technik aus. Jeder Dorfschmied, sagt Pastor Beier, konnte die Bulldogs warten. Weil die Front des ersten Traktors mit der Bezeichnung "HL 12" von 1921 aussah wie eine Bulldogge, setze sich der Name durch und wurde zum Synonym für die kräftige Zugmaschinen.

Johann Dierks aus dem benachbarten Rechtsupweg nennt einen Bulldog DV 9506 von 1940 sein eigen. Den hat er aus Rumänien reimportiert und mit seinem Verein "Lanzteam" detailgetreu restauriert. "Der hat 45 PS und kann bis zu 30 Stundenkilometer schnell fahren", sagt er stolz. Damit das Vorheizen des Motors mit der Lötlampe nicht zu lange dauert, hat er heute Diesel getankt. "Damit springt er schneller an. Aber sonst geht auch Rohöl oder Salatöl aus dem Supermarkt."

Zum Starten des Motors muss Dierks das Lenkrad abnehmen und an dem charakteristischen Schwungrad an der Seite des Motors einhängen. Mit einer kräftigen Drehung wird er Motor "angependelt", erläutert der Kfz-Mechaniker. Weil das Starten so mühsam ist, hätten die Bauern früher die Traktoren vor der Kneipe mit laufenden Motoren stehengelassen: "Das Lenkrad haben sie mit reingenommen. Dann konnte ja keiner den Bulldog klauen."

epd