"Schatten der Erinnerung", 3. Juni, 20.15 Uhr im NDR
Irgendwo in der Entstehungsgeschichte dieses Werks taucht auch Ludwig Ganghofer als Pate auf, aber die Autorinnen Brigitte Blobel und Konstanze Breitebner haben die Handlung sehr glaubwürdig in die Gegenwart übertragen: Hartmut Griedmayrs Film ist eine gelungene Mischung aus Melodram und Öko-Drama. Zunächst geht es allerdings um ein in Filmen dieser Art überaus beliebtes Motiv: die Heimkehr der verlorenen Tochter.
Mit Julia Stemberger und Michael Mendl
Geologin Lena (Julia Stemberger) hat vor Jahren nach einer Tragödie ihr Heimatdorf in den Bergen verlassen: Erst ist ihre Beziehung in die Brüche gegangen, dann hatte ihre Mutter bei der Suche nach ihr einen tödlichen Autounfall; Vater Gottfried (Michael Mendl) gibt Lena bis heute die Schuld am Tod seiner Frau. Nun hat er Krebs, und weil er sich nicht behandeln lassen will, ruft sein Arzt Lena an: Sie soll Gottfried umzustimmen. Der zeigt sich allerdings gleich wieder von seiner grimmigsten Seite, und eigentlich würde Lena postwendend wieder das Weite suchen, wenn sie nicht eine bestürzende Entdeckung gemacht hätte: Das Alpendorf soll ein Skiparadies werden. Der geplanten Liftanlage würde allerdings der örtliche Schutzwald zum Opfer fallen. Lena ist überzeugt, dass das Gutachten, das die Rodung des Waldes erlaubt, gekauft ist: Einzig diese Bäume verhindern, dass der Hang bei einem Unwetter Richtung Dorf abrutscht. Aber Lena trifft auf eine Gegnerin, die ihr Leben schon einmal zerstört hat: Bauherrin ist Magda (Elke Winkens), die heutige Ehefrau ihrer großen Liebe Anton (Thure Riefenstein).
Keines der üblichen Heimatdramen
Natürlich ahnt man früh, dass Anton der Vater von Lenas entzückender Tochter ist, und das ist bei Weitem nicht die einzige Vorhersehbarkeit der Geschichte. Trotzdem ist "Schatten der Erinnerung" keines der üblichen Heimatdramen, selbst wenn die Kamera (Rolf Greim) naturgemäß in Alpenpanoramen, Wolkengebirgen sowie Bächen und Blumen schwelgt. Wichtiger sind Griesmayr trotzdem die Figuren; gerade Mendl ist als griesgrämiger Alp-Öhi sehr überzeugend.
Anders als in den Klassikern des Genres dienen die Naturaufnahmen zudem nicht als naheliegende Dopplung des emotionalen Aufruhrs, weder in düsterer noch in kitschiger Hinsicht. Dass Buch und Regie die Spannung des Finales zusätzlich zuspitzen, indem sie Opa und Enkelin in Richtung der zu Tal donnernden Bergmassen schicken, mag dramaturgisch durchsichtig sein, verfehlt seine Wirkung aber nicht, zumal der optische Effekt des Bergrutsches ziemlich imposant ist. Zur Verdeutlichung der ökologischen Botschaft des Films genügen Griesmayr ohnehin die wenigen Einstellungen, in denen er eine moderne Baumfällmaschine wie ein riesiges bösartiges Insekt inszeniert, das im Nu den Hang kahl frisst.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).