Soldaten, nach denen keine Familie fragt
Manche haben noch pubertäre Pickel im Gesicht, viele schauen finster. Im Auswahlzentrum der Fremdenlegion im südfranzösischen Aubagne werden alle jungen Männer empfangen, die in die Legion eintreten wollen. Die "Blauen" werden sie im Legionärsjargon genannt, wegen der blauen Anzüge, die sie tragen müssen. Sie warten im Gang des Zentrums, alle sind sichtlich angespannt. Denn hier entscheidet sich, ob sie ein neues Leben als Legionäre beginnen.
26.05.2011
Von Martina Zimmermann

Wer in die Fremdenlegion eintritt, lässt die Vergangenheit hinter sich. Unter Umständen kann er später französischer Staatsbürger werden und wenn er will, einen anderen Namen und eine andere Identität annehmen. Es ist die Legion der Ausländer, die für Frankreichs Interessen kämpfen, seit König Louis Philippe am 9. März 1831 die Truppen für die Kolonisierung Algeriens gründete. Mit der Einrichtung einer aus Ausländern bestehenden Freiwilligentruppe bekam der König zudem eine schlagkräftige Berufsarmee, die später in fast allen Kolonialkriegen eingesetzt wurde - unter anderem im Algerienkrieg (1954-1962), berüchtigt für die extreme Brutalität französischer Einheiten.

Knapp 8.000 Mitglieder

Heute dienen die knapp 8.000 Fremdenlegionäre überwiegend im Rahmen von UN- oder NATO-Einsätzen. Die Fremdenlegion ist Teil der französischen Bodenstreitkräfte, sie zählt 146 Nationalitäten. Im vergangenen Jahr kamen die Kandidaten aus 70 verschiedenen Ländern: 40 Prozent vom Balkan und aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, immer mehr Anwärter stammen auch aus Asien und Südamerika.

Die Deutschen machten nach dem Zweiten Weltkrieg einmal zwei Drittel der Legionäre aus. Viele ehemalige Mitglieder der Wehrmacht - und Gerüchten zufolge auch der Waffen-SS - suchten hier offenbar eine neue Zukunft. 2010 kamen nur zwei Prozent der Bewerber aus Deutschland. Ein 21-jähriger Bayer, der sich in Aubagne bewirbt, ist zwei Jahre lang arbeitslos gewesen: "In Deutschland zählt das Papier, hier zählt das Können", meint er. Nach mehreren Nachfragen kommt heraus, dass der junge Mann auf seine Bewerbungen bei Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr Absagen erhielt, was wohl mit seinem polizeilichen Führungszeugnis zusammenhing.

Lange Zeit galt die Legion als Auffangbecken für Kriminelle. Doch Schwerverbrecher werden nicht mehr genommen. Auch wer von Interpol gesucht wird, ist rasch identifiziert. Im vergangenen Jahr wurden 1.000 Männer aus 10.000 Kandidaten ausgewählt. Der Legionär ist durchschnittlich 23 Jahre alt, älter als ein französischer Soldat, und er hat einen höheren Bildungsstand.

Ohne Sprachkenntnisse geht es nicht

Legionäre sind keine Söldner. Sie werden wie alle anderen französischen Soldaten bezahlt, anfangs mit dem gesetzlichen Mindestsold in Höhe von 1.365 Euro brutto. Hinzu kommen Kost und Logis. Der materielle Aspekt spiele dennoch eine Rolle, erklärt ein Lette, der in Riga als Drucker bei einer Zeitung arbeitete. Mit 23 beschloss er, sein Leben zu ändern. "Aber wenn Sie Ihr Glück woanders versuchen wollen, können Sie sich ohne Sprachkenntnisse nicht integrieren."

Schon am ersten Tag erhält jeder Freiwillige drei Stunden Französischunterricht. Die nächsten fünf Jahre sind die härtesten: Der Legionär darf kein Auto kaufen und auch nicht heiraten. Er legt seinen Namen ab, lebt ohne Identität. Da keine Familie da ist, kann sich auch keine Gedenktradition entwickeln. Es gibt keine Frauen oder Kinder, die nach dem Verbleib des Legionärs fragen. "In besonders gefährlichen Situationen hat es weniger Konsequenzen, wenn ein Legionär stirbt", meint Verteidigungsexperte Bastien Irondelle vom Pariser Institut für Politikwissenschaften: "Keine Familien, die wissen wollen, wie er eingesetzt wurde, ob die Intervention legitim war und tatsächlich den Interessen Frankreichs diente."

Afghanistan, Kourou, Dschungel

Die Legionäre stehen zu riskanten Spezialeinsätzen bereit, für Dschungel- und Antiterrorkampf oder Geiselbefreiung. Sie sind in Afghanistan stationiert, bewachen in Kourou in Französisch-Guayana die Ariane-Rakete, nach dem Tsunami in Asien halfen Legionäre beim Wiederaufbau. Den Verlockungen dieses Männerbundes, verbunden mit der Vorstellung von Abenteuern im heißen Wüstensand, erlagen auch viele junge Männer mit romantischen Vorstellungen. Die Legion rühmt sich, den Pianisten Cole Porter in ihren Reihen gehabt zu haben. Der Maler Markus Lüpertz floh nach eigenen Angaben nach wenigen Monaten aus der Fremdenlegion, wo er als 17-Jähriger angeheuert hatte.

Doch vor allem lässt sich an der Herkunft der Kandidaten ablesen, wo gerade die größte politische oder wirtschaftliche Not herrscht: Der pensionierte Legionär Alain Maxoud etwa verließ 1975 seine Heimat Libanon, als dort Bürgerkrieg herrschte: "Es war besser, in einer Armee Frankreichs zu sein als dort Krieg unter Brüdern zu führen." Heute fühlt er sich als "Franzose mit libanesischem Blut". Mehr als 37.700 Legionäre sind in den vergangenen 180 Jahren für Frankreichs Interessen gestorben.

epd