Beispiel Benzin: Wenn wenige den Markt beherrschen
Das Bundeskartellamt sieht den Verdacht erhärtet, dass der deutsche Tankstellenmarkt von einem Oligopol dominiert wird. Das ist nicht überraschend - auf vielen Märkten geben einige große Anbieter den Ton an. Warum ist das so?
25.05.2011
Von Eckart Gienke

Aral und Shell, Esso, Jet und Total verkaufen rund 70 Prozent des Benzins in Deutschland - das ist bekannt. Dennoch war die Aufregung bei Politik und Automobilclubs groß, als das Bundeskartellamt diese Tatsache jetzt in Erinnerung rief und daran die Sorge knüpfte, dass die Konzerne ihre Marktstellung missbrauchen könnten. Doch der Benzinmarkt nimmt bei weitem keine Sonderstellung ein. Er ist nur stark emotional besetzt.

Bei vielen Gütern des täglichen Bedarfs dominieren große Konzerne das Angebot. Auch im Lebensmittel-Einzelhandel haben die größten fünf Konzerne mehr als 70 Prozent Marktanteil, beim Kaffee sind es mehr als 80 Prozent. Drei große Zigarettenhersteller teilen sich 80 Prozent des deutschen Marktes. Die Märkte für Strom und Mobilfunk sind ebenso von einem Oligopol geprägt wie zum Beispiel bei den Dienstleistungen der Markt für Autovermietungen. Das Oligopol ist nicht die Ausnahme, sondern fast die Regel in entwickelten Volkswirtschaften.

Je austauschbarer das Produkt, desto mehr Wirtschaftsmacht

"Oligopole bilden sich heraus bei austauschbaren Gütern und Dienstleistungen", sagte der Ökonom Sebastian Schröer vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Das Benzin von Esso ist nicht viel anders als das von Shell, bei Rewe kann man ebenso einkaufen wie bei Edeka und die Mietwagen von Sixt und Europcar unterscheiden sich ebenfalls kaum. "Damit wird der Preis entscheidend und Größe für die Unternehmen zu einem zentralen Ziel", sagt Schröer. Denn für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen ist es entscheidend, möglichst viel abzusetzen. Der Gewinn beginnt, wenn die festen Kosten erwirtschaftet sind. Jenseits dieser Grenze wird jede verkaufte Einheit profitabler - ob es nun um Benzin, Zigaretten oder Lebensmittel geht.

Folglich bemühen sich die Unternehmen, Konkurrenten aufzukaufen und ihre Geschäfte auszuweiten. Ob sie erfolgreich sind, entscheidet letztlich der Verbraucher. Und er hat von großen Unternehmen keineswegs nur Nachteile, sonst wären diese am Markt auch nicht so erfolgreich: Größere Unternehmen sind effizienter, sie können günstiger einkaufen, ihre Logistik optimieren und über Marketing und Service beim Kunden zusätzliches Vertrauen schaffen. Raucher halten zum Beispiel ihrer Zigarettenmarke über Jahre und Jahrzehnte die Treue - die Hersteller erzielen auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten Traumrenditen.

Die Autofahrer tanken gern bei den Großen

Kein Autofahrer ist gezwungen, bei Aral oder Shell zu tanken; dennoch erreichen diese beiden Unternehmen zusammen mehr als 40 Prozent Marktanteil. Das kann zum einen daran liegen, dass Autofahrer den Qualitätsversprechen der Konzerne Glauben schenken oder die Shops schätzen - aber auch daran, dass Markentankstellen oft günstiger liegen als freie Tankstellen. "Die Tankstellen der fünf untersuchten Unternehmen werden vom Verbraucher überdurchschnittlich bevorzugt", sagt Klaus Picard vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV), was die Marktmacht mit erkläre. "Sie beherrschen nicht den Markt, aber das Marketing - das erfolgreiche Werben um den Kunden."

Sind Waren austauschbar und Preise transparent, bemühen sich die Unternehmen, unterscheidbar zu werden. "Ein gutes Beispiel ist die Telekommunikation", sagt Schröer. Hier hätten sich Unternehmen mit verschiedenen Tarifmodelle für unterschiedliche Zielgruppen voneinander abgegrenzt. Das Ergebnis ist allerdings ein schwer durchschaubarer Tarifdschungel, der von Verbraucherschützern kritisiert wird.

Der Weg der Telekommunikationsunternehmen steht den Tankstellen zwar nicht offen; sie lassen sich stattdessen Rabattkarten einfallen oder speziell aufgemotzte Benzinsorten, führen den Tankwart wieder ein, errichten Geldautomaten oder locken mit frischen Brötchen und Sonderangeboten in ihre Shops.

Rätsel Verbraucher

"Marktstrukturen fallen nicht vom Himmel", sagt der Wettbewerbsökonom Hans-Theo Normann von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Er warnt davor, gewachsene Strukturen zu zerschlagen, wie es in der politischen Diskussion vorgeschlagen wird. Außerdem dürfte der Endpreis mit Hilfe von Eingriffen im Tankstellenmarkt kaum zu beeinflussen sein - schließlich besteht der Benzinpreis zu etwa 95 Prozent aus Steuern und Einkaufskosten.

Ein ungelöstes Rätsel ist den Ökonomen, warum die Verbraucher in einigen Märkten flexibel sind, in anderen dagegen nicht. So wechseln die Kunden bei Mobilfunkverträgen leichten Herzens ihren Anbieter, auch in kürzeren Abständen. Bei Strom dagegen ist die Wechselfreude gering, obwohl es Alternativen zu den großen Anbietern gibt und sich durchaus Geld sparen lässt. Es könnte daran liegen, so mutmaßen die Wissenschaftler, dass die Stromrechnung nur einmal im Jahr ins Haus kommt.

dpa