Heilig-Rock-Wallfahrt mit evangelischer Beteiligung
Als der Heilige Rock im Jahr 1512 zum ersten Mal öffentlich ausgestellt wurde, geißelte der Reformator Martin Luther die Wallfahrt noch als "große Bescheißerei zu Trier". 500 Jahre später ist alles anders. Für die Jubiläumswallfahrt, die vom 13. April bis 13. Mai 2012 stattfindet, hat Nikolaus Schneider, Präses der rheinischen Landeskirche und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, eine intensive Beteiligung evangelischer Christen in Aussicht gestellt.
25.05.2011
Von Marlene Grund

Viele Legenden und Überlieferungen ranken sich um den Heiligen Rock, das Gewand, das Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung getragen haben soll. Helena, die Mutter des römischen Kaiser Konstantin, soll das bräunlich schimmernde Tuch im vierten Jahrhundert auf einer Pilgerfahrt in Jerusalem entdeckt und nach Trier gebracht haben. Historisch belegt ist die Existenz des Rockes ab dem Jahr 1196.

Vorbehalte längst ausgeräumt

Für den rheinischen Präses sind evangelische Vorbehalte gegen die Wallfahrt längst ausgeräumt. Dabei sind die Protestanten traditionell gewöhnt, sich "mit dem Text und nicht mit Textilien" zu beschäftigen, wie es die Düsseldorfer Oberkirchenrätin Barbara Rudolph ausdrückt. Die ökumenische Dimension der Wallfahrt begann vor 15 Jahren. Der damalige rheinische Präses Peter Beier (1934-1996) pilgerte zusammen mit Vertretern anderer Konfessionen von der evangelischen Konstantin-Basilika zum Trierer Dom und schrieb sogar zwei Gebete und ein Pilgerlied. Dies sei der Durchbruch in den Beziehungen der rheinischen Kirche zum Bistum Trier gewesen, erinnert sich Schneider.

Die Reliquie, die zu den bedeutendsten der katholischen Christenheit zählt, war bisher 16 Mal zu sehen, zuletzt in den Jahren 1933, 1959 und 1996. Früher zog sie Millionen Gläubige an, im kommenden Jahr werden immerhin noch 500.000 Pilger erwartet. Noch mehr als bei der letzten Wallfahrt werde die Ökumene dann "Pflichtprogramm" sein, sagt Wallfahrtsleiter Georg Bätzing.

Das Bistum Trier hat Christen aller Konfessionen eingeladen, nicht nur die evangelische Kirche, sondern auch Orthodoxe und Freikirchen. Dass gerade die Trierer Wallfahrten in der Vergangenheit oft ein dezidiert anti-ökumenisches Ereignis waren, wird nicht verschwiegen. "Aber sie kann zu einem ökumenischen Ereignis gemacht werden", versichert Bätzing.

Nichts erzwingen, alles erhoffen

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann erwartet von dem gemeinsamen Zugehen auf die Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier sogar ein Signal für die Ökumene. "Wir dürfen nichts erzwingen, aber alles erhoffen", sagt er. Speziell die katholisch-evangelischen Beziehungen, die nach Worten des Bischofs derzeit in einer Phase der "nüchternen Arbeit" verharren, sollen durch diese gemeinsame Erfahrung belebt werden. "Wir brauchen den wechselseitigen Dienst der Fürbitte, wir brauchen das Leiden an der Sünde der Trennung und wir brauchen das miteinander Tragen".

Für das Schwinden der protestantischen Distanz mag auch verantwortlich sein, dass die katholische Kirche den Heiligen Rock entmythologisierte. "Niemand kann sagen, ob das ein Stück des Gewandes Jesu ist", stellt Bätzing fest. Laut biblischem Zeugnis würfelten römische Soldaten um den Stoff, um ihn nicht zerschneiden zu müssen. Seither wird der Rock theologisch meist als Symbol für die Einheit der Christenheit gedeutet. Der Heilige Rock deute auf die von Gott gewollte Einheit der Christen hin, so Bätzing. "Das ist ein Stachel im Fleisch der immer noch gespaltenen Christenheit".

Präses Schneider nimmt das Leitwort der Wallfahrt "... und führe zusammen, was getrennt ist" als Versicherung, dass die Kirchen gemeinsam unterwegs sind. "Wir sind dazu herausgefordert, uns um diese Einheit zu bemühen, und wir wollen das unsere dazu tun", sagt er. Der evangelische Kirchenkreis Trier bietet für die Zeit der Wallfahrt ein Begleitprogramm an - mit täglichen ökumenischen Gebeten in der evangelischen Konstantin-Basilika sowie einem großen ökumenischen Tauferinnerungsgottesdienst.

epd