Fünf Tage lang durften die Menschen in Mitteleuropa im April 2010 eine Seltenheit bestaunen: Nicht wie sonst hingen Kondensstreifen aus allen Richtungen am Himmel. Ein Blick nach oben zeigte einen wolkenlosen, blauen Himmel und streifenlose Sonnenuntergänge.
Für die einen war es ein schöner Anblick, für die anderen die reinste Qual. Die europäischen Flughäfen verwandelten sich in weitläufige Matratzenlager, millionenfach mussten Passagiere in den Terminals ausharren. Nun bahnt sich das nächste Flugchaos an: Der Grimsvötn, der aktivste Vulkan Islands, spuckt seit Samstag wieder Asche in die Luft.
Keine Konsequenzen nach Eyjafjallajökull
Aus dem Eyjafjallajökull-Debakel haben die Flugsicherheitsbehörden jedoch keine Lehren gezogen. "Die Grenzwerte für die Aschekonzentration in der Luft wurden nicht verändert", sagt Andreas Schütz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das heißt, dass Flugzeuge schon ab zwei Milligramm pro Kubikmeter nicht mehr starten dürfen. An diesem von der britischen Flugaufsicht festgelegten Richtwert hatten die Fluggesellschaften letztes Jahr harsche Kritik geübt. Der Wert sei zu tief, man könne bei einer solchen Asche-Konzentration noch gefahrlos fliegen. Den Konzernen gingen durch die tagelangen Flugausfälle hunderte Millionen Euro durch die Lappen.
Sicherheit hat Vorrang, erklärt DLR-Experte Schütz: "Durch eine Aschewolke zu fliegen, kann sehr riskant sein." Durch die winzigen Aschepartikel in der Luft könnten vor allem die Triebwerke der Flugzeuge beschädigt werden. "Zudem können auch die Cockpit-Scheibe und Instrumente wie die Höhenruder Schaden nehmen", sagt Schütz weiter.
Lage ist (noch) nicht dramatisch
Aufgrund von Messflügen konnte das DLR nachweisen, dass die Grenzwerte von April 2010 zu tief waren, wodurch viele Flugzeuge unnötigerweise am Boden bleiben mussten. Durch eine Erhöhung des Wertes könnten also mehr Flugzeuge starten und somit auch das Chaos an den Flughäfen vermindert werden. Allerdings wurde der Grenzwert nach dem Eyjafjallajökull-Ausbruch nicht nach oben korrigiert, weshalb auch diesmal wieder das Chaos droht.
Aktuell kann jedoch Entwarnung gegeben werden: "Die Lage scheint nicht so dramatisch zu sein, wie vor einem Jahr", sagt Marcus Beyer vom Deutschen Wetter-Dienst (DWD). Die Aschewolke ziehe größtenteils an Deutschland vorbei. Allenfalls einige wenige Flughäfen in Norddeutschland könnten betroffen sein. "Allerdings kann sich der Wind immer wieder drehen und so die Situation verschärfen", erklärt Beyer.
Und so muss sich Europa unter Umständen auf eine neue Auflage des Chaos gefasst machen – vielleicht sogar wieder mit kondensstreifenfreiem Himmel.
Philipp Ruiz Liard ist Praktikant bei evangelisch.de.