Es ist schwül in dem Zelt auf dem Campus der "University of the West Indies", in dem mal eine Dalit-Vertreterin aus Indien auf dem Podium sitzt, mal der Generalsekretär der Kirche der vom Untergang bedrohten Insel Tuvalu. Der Präsident der allafrikanischen Kirchenkonferenz schildert, wie die Goldminen in Tansania ausgebeutet werden und der Projektbeauftragte für Öko-Gemeinden in Schottland rechnet den Kirchenvertretern im klimatisierten Zelt vor, welchen ökologischen Fußabdruck ihre Reise in die Karibik hinterlässt.
Angst vor Bedeutungsverlust
Ein klares Schwerpunktthema hat sich bei der Tagung, die am Dienstagnachmittag mit einer gemeinsamen Botschaft der Teilnehmer zu Ende gehen soll, bislang nicht herauskristallisiert. Am Rande diskutieren viele Kirchenvertreter aber den Bedeutungsverlust des immer mehr unter Sparzwängen stehenden Weltkirchenrates.
Die Plenarsitzungen seien sehr stark von einer binnenkirchlichen Perspektive geprägt, sagt etwa der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte. Es fehle die Auseinandersetzung mit den Verantwortungsträgern in Politik und Wirtschaft. Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann beklagt das geringe Echo, das die Friedenskonvokation in den Medien findet. In der Tat, es sind kaum internationale Pressevertreter nach Kingston gereist. Selbst lokale Blätter und Fernsehstationen nehmen kaum Notiz von dem Friedenstreffen der Weltchristenheit.
Die Diskussion um die abnehmende Bedeutung ist indes nicht neu: Schon 2006 warnte die damalige hannoversche Bischöfin Margot Käßmann vor der Bedeutungslosigkeit des Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), der in den 70er und 80er Jahren im Kampf gegen Rassismus und Apartheid stets öffentlich präsent war. Eine Kritik an dem Dachverband von rund 350 Kirchen und christlichen Gemeinschaften, die sie nun am Rande der Tagung in Kingston wiederholt. "Die Stimme des Weltkirchenrates ist zu wenig hörbar", sagte die evangelische Theologin dem epd.
Forderung nach politischen Inhalten
Die Kritik, die in Kingston laut wird, hat vor allem mit der Themensetzung bei den Plenumssitzungen zu tun. Es würden hier hauptsächlich Problembeschreibungen geliefert, sagt etwa der EKD-Friedensbeauftrage Renke Brahms, der wie andere Kritiker auch den Wert der Tagung vor allem im Austausch und in der Vernetzung sieht. Und so kritisiert er, dass die aktuelle Krisensituation in der arabischen Welt - die Ausschreitungen in Syrien und die Situation in Libyen - nicht auf der Agenda standen.
Brahms betont: "Alle Mitgliedskirchen des Weltkirchenrates müssen sich fragen, welche Bedeutung soll der ÖRK haben?" Eine Frage, die der Generalsekretär des Rates der anglikanischen Kirchenprovinzen in Afrika, Grace Kaiso, folgendermaßen beantwortet: Die Kirchen müssten überzeugt auftreten und den Krieg verurteilen. "Die Kirchen müssen mit einer Stimme sprechen."
Während bei den Plenartagungen kaum Raum für Diskussion war, fand der Austausch vor allem in den zahlreichen Workshops statt, die von Vertretern und Delegierten der Kirchen aus allen Ecken der Erde vorbereitet worden waren. Hier diskutierten die Teilnehmer den Nahost-Konflikt ebenso wie die Frage, ob und wie eine Welt ohne Waffen möglich ist. Eine Gruppe aus Ostdeutschland referierte vor interessierten Zuhörern die Rolle der Christen bei der friedlichen Revolution in der DDR.
Von den vielen Beispielen, die bei der Tagung vorgestellt wurden, gehe eine große Inspiration aus, sagt der zukünftige bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Die Beispiele zeigten, dass Gewalt überwunden werden könne. Gleichzeitig fügt er an: "Ich wünsche mir eine Weltkirche, die nicht nur gute Beispiele gibt oder Grundsätze zum Ausdruck bringt, sondern die auch einwirkt auf die politische Gestaltung." Inwiefern der Weltkirchenrat diese Anforderungen umsetzt, wird sich wohl bei der nächsten ÖRK-Vollversammlung in der südkoreanischen Hafenstadt Busan im Jahr 2013 zeigen.