Weltuntergang: "Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist"
Der Radioprediger Harold Camping hat sich einen Namen gemacht mit seinen Untergangsprophezeihungen. Aber warum liegt er immer falsch? Eigentlich ganz einfach: Weil schon Jesus gesagt hat, dass sich der Zeitpunkt des Weltenendes nicht wissen lässt.
24.05.2011
Von Ralf Peter Reimann

"Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist" – diese Warnung aus dem Markusevangelium (Mk 13,33) hätte sich der amerikanische Radio-Prediger Harold Camping besser zu Herzen nehmen sollen, anstatt den Beginn des Weltuntergangs für den 21. Mai zu verkündigen. Der menschliche und allzu verständliche Wunsch, das Datum des Weltendes zu kennen, findet sich schon in der Bibel. Zwar liefert die Bibel selbst auch die Grundlage für Spekulationen, aber in ihr findet sich auch immer die Mahnung, sich eben auf solche Prognosen nicht einzulassen.

Der Evangelist Markus fasst Jesu Botschaft zu Beginn seines öffentlichen Wirkens so zusammen (Mk 1,14b-15a): "Jesus predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen." Mit Jesus hat das Gottesreich begonnen, hier auf der Erde Wirklichkeit zu werden: "Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch." (Lukas 17,21).

Wer die Gegenwart als gottlos sieht, versteht das Gottesreich als Gegenteil

Wenn das Gottesreich sich in der Gemeinschaft ereignet und der Inhalt der Verkündigung dieser Gemeinschaft ist, dann ist es gedanklich kein weiter Schritt, das Gottesreich als Gegenteil der erlebten Gegenwart zu sehen, die als gottlos wahrgenommen wird. Der Untergang der gegenwärtigen Welt bringt dann Gottes neue und heile Welt hervor, der Weltuntergang ist der Beginn der neuen Heilszeit für diejenigen, die Anteil an Gottes Reich haben. Diese Endzeitstimmung korrespondiert mit der Naherwartung des Gottesreiches.

Die Auseinandersetzung mit dieser Sichtweise findet sich auch in den Schriften des Neuen Testamentes. Jesu Tod stellt dieses Denkschema zunächst jedoch in Frage. Offensichtlich hat der Tod als Symbol der bösen Welt doch die Macht übernommen, denn Jesus, der Verkündiger von Gottes Reich, erleidet am Kreuz den Tod. Jesu Auferstehung dagegen gibt nun wieder neue Hoffnung, dass Gottes Herrschaft letztlich doch gewinnt, der Tod ist durch die Auferweckung Jesu besiegt.

Wo befindet sich Jesu Gemeinde nun? Die alte Welt hat ihre Macht verloren, die neue Welt ist aber erst ansatzweise da, sie muss sich noch durchetzen. Der Kampf zwischen Gut und Böse bestimmt diese Zeit. Jesu Gegenwart auf Erden zeigte das Kommen des Gottesreiches an, war als solches aber nur für seine Anhänger sichtbar. Die Vollendung des Gottesreiches bedeutet, dass jeder es sehen und erfahren wird. Auch wenn es verschiedene sprachliche Bilder in der Bibel dafür gibt: Die Wiederkunft Christi kann von niemandem mehr geleugnet werden, sie stellt ist das Ende der Zeit dar. In der biblischen Sprache drückt die Lehre von der Wiederkunft Christi aus, dass nun Gottes Macht für alle sichtbar ist, es ist das Ende dieser Welt und Zeit, Gottes Reich ist da.

So steht die christliche Gemeinde zwischen den Zeiten – zwischen Jesu Wirken auf dieser Erde und seiner für alle sichtbaren Wiederkunft.

Jesus sagt: "Ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist"

In vielen Epochen der Kirchengeschichte gab es Bewegungen, die geschichtliche Ereignisse ihrer Gegenwart mit der Endzeit und dem Kommen Christi in Verbindung brachten. Dies gilt sogar für das Neue Testament. Folgt man der gängigen Lehrmeinung, so enstand das Markusevangelium um das Jahr 70 nach Christus. In Jesu Rede von der Endzeit (Markus 13) finden sich Anspielungen auf die Zerstörung des Tempels in Jerusalem 70 nach Christus durch den späteren römischen Kaiser Titus. In der Zerstörung und Plünderung des Tempels, der als Ort der Gegenwart Gottes verstanden wurde, sah man ein Signal, dass nun die Endzeit mit dem Kampf zwischen und Gut und Böse begonnen habe.

In diese Situation hinein setzt der Evangelist Markus das Jesus-Wort: "Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist." Er wendet sich dagegen, Ereignisse der Gegenwart als Beleg für das Weltende zu verwenden. Knapp 2000 Jahre später kann man nur sagen: Damit hat er Recht gehabt.

Auch die Reformationszeit war eine Umbruchszeit, die Menschen verunsicherte und zu Weltuntergangsspekulationen Anlass bot. Propheten des Untergangs wurden von den Reformatoren als "Schwärmer" abqualifiziert. Diese Einordnung brachte dann Ausgrenzung und Verfolgung mit sich – leider kein Ruhmesblatt für die protestantische Reformation.

Berechnen kann man die Endzeit nicht - aber sie kommt

Johannes Calvin setzt sich theologisch mit denjenigen auseinander, die die in der Offenbarung des Johannes beschriebenen endzeitlichen Vorgänge und Zeichen in eine zeitliche Abfolge zu bringen wollen, aus der man die Zukunft und das Weltende vorhersagen könne. Er betont, aus Ereignissen der Gegenwart dürfe man nicht auf das nahe Ende der Welt schließen: "Aber die Lösung ist leicht: Der Tag der Wiederkunft Christi ist vor der Tür von Gott aus gesehen, bei dem tausend Jahre Jahre gleich als ein Tag sind. Unterdessen will der Herr, wir sollen ihn also beständig erwarten, daß wir keinerwege eine bestimmte Frist zuvorbestimmen. 'Wachet', spricht er, 'denn ihr wißt nicht den Tag und die Stunde.'" Auf die "tausend Jahre als ein Tag" stützte sich auch Harold Camping bei seinen Überlegungen.

Wie soll man sich zu Spekulationen um das Weltende verhalten? Gerade, wenn sie nicht eingetroffen sind, fällt es leicht, sich darüber zu belustigen. Jede Ankündigung des Weltendes weist auch den Fehler auf zu glauben, man könne das Ende der Zeit nach einer bestimmten Formel aus der Bibel berechnen – doch gerade davor warnen die Schriften des Neuen Testamentes und auch die Reformatoren.

Jeder Weltuntergangsprophet erinnert aber gleichzeitig daran, dass die Zeit dieser Welt endlich ist und auf ein Ziel hin läuft: "Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist."


Ralf Peter Reimann ist Pfarrer, Theologe und arbeitet bei evangelisch.de.