"Carl & Bertha", 23. Mai, 20.15 Uhr im Ersten
Selbst wenn man nicht dem Klischee des Dreiklangs "Männer, Mädchen und Motoren" anhängt: So ganz ohne Frau wäre ein Film über einen Tüftler und seine obsessive Vision vom pferdelosen Wagen doch recht einseitig. Und schließlich ist ja auch überliefert, dass es Bertha Benz war, die dem Traum durch Tatkraft und unerschütterlichen Glauben letztlich zur Realisierung verhalf hat: weil sie anno 1888 die erste Überlandfahrt in der Geschichte des Automobils unternahm. Es ist also nur recht und billig, dass Bertha Benz neben Ehemann Carl und dem buchstäblichen Motor der Handlung die dritte Hauptrolle spielt.
Davon abgesehen gelingt es Stefan Rogall (Buch) und Till Endemann (Regie) ohnehin recht gut, die Handlung nicht allzu ölverliebt zu erzählen; man braucht mitnichten Benzin im Blut, um ihr durchaus gebannt zu folgen. Die Geschichte vom mutigen Pionier, der allem Gespött und allen finanziellen Engpässen zum Trotz fast starrköpfig sein Ziel verfolgt, weil die Gattin ihm in sämtlichen Krisen den Rücken stärkt: Das ist eine Hommage an beide. Vermutlich hat Rogall seine Heldin moderat modernisiert, aber so wird sie zur Paradefigur für Felicitas Woll, die ja gern starke Frauen verkörpert: Gleich zu Beginn widersetzt sich Bertha dem Willen ihrer Eltern, die eine Ehe mit einem betuchten Erben (Alexander Beyer) arrangiert haben. In dessen Elternhaus trifft sie Benz (Ken Duken), der gemeinsam mit seinem Kompagnon Ritter (Johann von Bülow) auf der Suche nach einem Investor ist.
Ausführliche Rückblende
Der Film beginnt allerdings mit einem 18 Jahre später spielenden Prolog, der die ehelichen Rollen klar verteilt: Im strömenden Regen beschwört Bertha den völlig demoralisierten Gatten, an seinem Traum festzuhalten. Im Grunde wird schon jetzt deutlich, dass die Geschichte eigentlich "Bertha & Carl" heißen müsste. In der folgenden ausführlichen Rückblende wird der untrennbar mit der Beziehung zu Bertha verknüpfte Werdegang des Tüftlers erzählt. Die technischen Aspekte werden dabei nicht weiter vertieft. Auch wenn man Benz Tag und Nacht in der Werkstatt sieht: Wie sein Motor im Detail funktioniert, bleibt der Fantasie überlassen. Dabei hat Szenenbildner Florian Haarmann nicht nur für detailgetreue Nachbauten gesorgt, sondern nach Möglichkeit von diversen Museen ausgeliehene Originalmaschinen verwendet.
Emotional und dramaturgisch reizvoller aber sind naturgemäß Benz’ regelmäßige Auseinandersetzungen mit seinen Geldgebern, zu denen neben dem Schwiegervater (Hansjürgen Hürrig) pikanterweise auch der einstige Nebenbuhler gehört. Als die Investoren erfahren, dass Konkurrent Gottlieb Daimler nicht nur erfolgreicher ist, sondern seine Erfindung auch rechtzeitig hat patentieren lassen, droht Benz’ Traum zu platzen. Die erste Begegnung der beiden Pioniere inszeniert Endemann, der für den SWR unter anderem das Drama über das Flugzeugunglück von Überlingen ("Flug in die Nacht") gedreht hat, beinahe beiläufig. Und doch spürt man die Bedeutung des Augenblicks, zumal Olli Dittrich allein für diese kurze Schlüsselszene engagiert worden ist. Es sind gerade auch Momente wie diese, die "Carl & Bertha" zu einem überraschend kurzweiligen Film machen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).