Lars von Trier demontiert seine Chancen in Cannes
Der dänische Regisseur Lars von Trier präsentierte beim Festival in Cannes "Melancholia", einen Film über den Weltuntergang. Kurz darauf versenkte er auf einer Pressekonferenz mit provozierenden Bemerkungen über den Nationalsozialismus seine Chancen auf eine Auszeichnung.
19.05.2011
Von Barbara Schweizerhof und Rudolf Worschech

Am Mittwochabend präsentierte der dänische Regisseur Lars von Trier beim Festival in Cannes "Melancholia", einen Film über den Weltuntergang. Kurz darauf versenkte er auf einer Pressekonferenz mit Sympathiebekundungen für Adolf Hitler seine Chancen auf eine Auszeichnung. Zwar stellte Trier seine Äußerungen im Nachhinein als ironisch dar und versicherte, kein Nazi zu sein, doch das Direktorium des Festivals griff trotzdem durch: Am Donnerstag wurde der 55-Jährige zur unerwünschten Person erklärt.

 

"Er ist nicht das, was man einen guten Kerl nennen würde, aber ich verstehe vieles von ihm", sagte Trier bei der Pressekonferenz über Hitler. Zwar versuchte Hauptdarstellerin Kirsten Dunst, den Regisseur zu stoppen, doch der fuhr fort: "Ich glaube, dass Hitler ein paar schlechte Dinge gemacht hat, klar, aber ich kann ihn mir in seinem Bunker vorstellen, am Ende." Außerdem sei er von den Arbeiten des NS-Architekten Albert Speer beeindruckt. "Okay, ich bin ein Nazi", sagte Trier.

Am späten Mittwochabend hatte seine Agentur versucht, die Wogen zu glätten und eine Erklärung verbreitet, in der Lars von Trier sich für seine Äußerungen entschuldigte und betonte: "Ich bin weder antisemitisch, habe keine rassistischen Vorurteile, noch bin ich ein Nazi." Doch das half ihm und seinem Film, mit dem er aus Sicht der Kritiker durchaus Aussichten auf einen Preis hatte, nichts.

Von Trier vom Festival ausgeschlossen

Am Donnerstag verurteilte das Direktorium Triers Äußerungen als intolerabel und erklärte den Dänen zur "persona non grata". Damit wurde der Regisseur als Person vom Festival ausgeschlossen, eine Auszeichnung des Films zum Festivalabschluss am Sonntag gilt als nahezu ausgeschlossen.

Dabei hätte der Film "Melancholia" ohne das Auftreten seines Regisseurs sicher einen Favoriten-Status erreicht. In ihm lässt Trier auf berückend schöne Weise die Welt untergehen. Davor aber erzählt er in zwei Stunden die Geschichte zweier sehr verschiedener Schwestern.

Im ersten Teil geht es um Justine, gespielt von Kirsten Dunst. Geschildert wird ihre Hochzeitsfeier, die sie als strahlende, bildhübsche Braut beginnt. Doch dann klappt nichts wie vorgesehen - Udo Kier spielt den beleidigten Hochzeitsplaner - und nach und nach entblößt sich das Bild einer zutiefst unglücklichen Familie. Da ist die stets sehr ernste Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg), die ihr Leben bestens im Griff zu haben scheint, an der Seite ihres reichen Gatten John (wunderbar nuanciert von Kiefer Sutherland gespielt). Und da sind die längst geschiedene Brauteltern (John Hurt und Charlotte Rampling), die sich an Rücksichtslosigkeit gegenüber ihren Töchtern in nichts nachstehen. Am Ende der Nacht steht Justine ganz alleine da, von allen - außer ihrer Schwester - verlassen und erneut in Depression versunken.

Eindringlich, verstörend, berührend

Die Stunde des Depressiven aber kommt, so zeigt es Lars von Trier: Im zweiten Teil von "Melancholia" steht Claire im Mittelpunkt, die zwar für ihre depressive Schwester einsteht, aber über einen sich der Erde nähernden Planeten in Panik gerät. Ihr Mann versucht sie mit den Berechnungen der Wissenschaft zu beruhigen, wonach eine Kollision auszuschließen ist, kauft aber selbst heimlich Vorräte für den Tag X. Und während Claire immer ängstlicher wird, findet Justine zu einer trancehaften Ruhe.

Lars von Trier ist ein selten eindringlicher Film gelungen, der berührt und verstört. Was von "Melancholia" im Gedächtnis bleibt, ist jedoch der Auftritt des Filmemachers selbst.

 

epd