Elektroantrieb macht Pfarrern einen "Heidenspaß"
Strom im Akku statt Benzin im Tank - das nützt dem Klima unter bestimmten Voraussetzungen. Jan Christensen ist Pfarrer und Geschäftsführer von "Kirche für Klima", der Klimakampagne der Nordelbischen Kirche. Als Experte für das Thema Mobilität findet er Elektrofahrräder allerdings noch besser als Elektroautos: Seine Pfarrerkollegen könnten bald mit Stromantrieb zum Taufgespräch radeln.
18.05.2011
Die Fragen stellte Anne Kampf

Die Bundesregierung will, dass es bis 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland gibt. Ist das sinnvoll für den Klimaschutz?

Jan Christensen: Das ist unter bestimmten Bedingungen sinnvoll. Es kommt immer darauf an, wie diese Autos genutzt werden und wie sie geladen werden. Elektrische Autos sind nur dann sinnvoll, wenn sie mit erneuerbarem Strom geladen werden. Wenn sie mit Kohlestrom geladen werden, macht das überhaupt keinen Sinn.

Was halten Sie von den geplanten Steuervorteilen und dem Vorrang im Straßenverkehr - zum Beispiel, dass Elektroautos auf Busspuren fahren dürfen?

Jan Christensen: Ja, das kann man machen. Meines Wissens wird das in Norwegen bereits so gehandhabt. Es macht natürlich Sinn, bestimmt Parkplätze für diese Fahrzeuge auszuweisen, weil dann dort die Ladesäulen stehen. Und gerade im innerstädtischen Betrieb - sie sind ja sowieso für Kurzstrecken im Citybereich sinnvoll - da macht der Vorrang für Elektroautos natürlich Sinn, weil sie eben vor Ort keine Schadstoffe ausstoßen und auch leise sind.

Wie weit sind denn andere Länder mit der Förderung von Elektroautos im Vergleich zu Deutschland?

Jan Christensen: Sehr viel weiter. Ganz viele Länder zahlen mehrere tausend Euro oder Dollar an Kaufzuschuss. Wenn das allerdings in Deutschland auch so wäre, hätten nur die ausländischen Anbieter einen Vorteil davon, da die deutsche Autoindustrie ein bisschen hinterher ist.

Hat die Autoindustrie überhaupt ein Interesse, Elektroautos zu vermarkten?

Jan Christensen: Ich denke schon. Aber im Moment ist das Interesse vor allem, viele Forschungsgelder zu bekommen. Das scheint ja auch zu klappen. Und langfristig sieht man ja, dass die fossilen Brennstoffe immer weniger werden, und dass Elektroautos die die Alternative sind. Der technische Vorteil der Elektromobilität ist eben der sehr viel höhere Wirkungsgrad. Also sie brauchen viel weniger Energie, um ein Auto dieselbe Strecke mit derselben Geschwindigkeit fahren zu lassen, als wenn Sie es mit Benzin oder Diesel betreiben.

Sie haben einen CO2-Vergleich auch mit anderen Fahrzeugen angestellt. Wie fällt der aus? Welches Fahrzeuge schneidet am besten ab?

Jan Christensen: Am besten schneidet das elektrische Fahrrad ab, das mit Ökostrom geladen wird. Das hat weniger als ein Gramm CO2-Emissionen pro Kilometer. Dann kommt der elektrische Motorroller, dann das elektrische Auto, das mit erneuerbarem Strom geladen wird, dann kommt ein kleiner Diesel- oder Benzin-PKW (für alle Fahrzeuge gilt, dass sie kleiner und leichter werden müssen), und am schlechtesten ist das Elektroauto, das mit Kohlestrom geladen wird (aber nur theoretisch, denn kein Stromanbieter bietet reinen Kohlestrom an).

Wieviel CO2 stoßen diese Fahrzeuge jeweils aus?

Jan Christensen: Bei einem Kleinwagen, der fünf Liter Benzin oder vier Liter Diesel verbraucht kommen Sie auf 133 bzw. 132 Gramm CO2 pro Kilometer. Im Strommix kommt ein Elektro-PKW (ein Kleinwagen mit 18 Kilowattstunden Verbrauch) auf 107 Gramm, wenn er mit Steinkohle fahren würde auf 162 Gramm. Beim Elektroroller, der im Schnitt 4 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometern verbraucht, sind das im Strommix 23,8 Gramm pro Kilometer und mit grünem Strom 2 Gramm. Beim Pedelec, dem elektrisch unterstützten Fahrrad, hängt es sehr davon ab, wie stark man selber tritt, da kommen Sie bei einer halben Kilowattstunde auf 100 Kilometer bei grünem Strom auf ein Viertel Gramm CO2. Das ist eine ganz andere Größenordnung als beim normalen PKW.

Im Rahmen der Klimakampagne der Nordelbischen Kirche läuft gerade eine Elektro-Fahrrad-Aktion an. Wer soll denn Fahrrad fahren? Und warum mit elektrischem Antrieb?

(Foto links: Stefanie Weiss / Nordelbische Klimakampagne "Kirche für Klima")

Jan Christensen: Nehmen wir als Beispiel einen männlichen Pastor in Anzug, Schlips und Kragen. Er muss zu einem Trauergespräch, das vier Kilometer entfernt stattfindet. Wenn der vor seinem Fahrrad und seinem Auto steht, überlegt der sich: Naja, heute ist hier an der Küste ein bisschen Wind, wenn ich das Fahrrad nehme, komme ich ganz verschwitzt dort an, also nehme ich das Auto. Andersrum wenn er das elektrische Fahrrad auch noch zur Auswahl hat, dann nimmt er das, denn damit gibt es keinen Gegenwind und kein Bergauf.

Wie waren die ersten Probefahrten?

Jan Christensen: Neun von zehn Personen kommen mit einem spontanen Lächeln wieder. Man muss einfach dieses Gefühl ausprobieren. Auch Konfirmanden haben es ausprobiert: die ersten zwei haben sich auf die Räder gesetzt und - zack - waren sie 15 Minuten lang verschunden. Wir dachten schon, sie kämen gar nicht wieder… Die sind dann richtig mit Karacho durch ihre Kleinstadt gejagt und kamen freudestrahlend wieder.

Nochmal zurück zu den Elektroautos: Welchen Nutzern würden Sie ein Elektroauto (mit umweltfreundlichem Strom) empfehlen?

Jan Christensen: Wenn der Nutzer keinen Zugang zum Öffentlichen Nahverkehr hat (das hätte natürlich Priorität), kommt es auf die Strecke an. Hier in Schleswig-Holstein auf dem Land, wo es eben keinen Öffentlichen Nahverkehr gibt, und man hat eine Distanz von 30 bis 50 Kilometer zur Arbeit - Das wäre ein typischer Fall für ein Elektroauto. Das ist dann kein Auto mit dem er in den Sommerferien mit Anhänger drei Wochen nach Italien in den Urlaub fährt. Ein Elektroauto ist nicht nur ein Auto mit einer anderen Art von Motor drin, sondern es ist eine andere Art von Mobilität. Das macht auch ehrlich gesagt keinen Sinn mit einer 1,4 Tonnen schweren Limousine fünf Kilometer zum Brötchenholen oder 30 Kilometer zur Arbeit zu fahren. Gebaut ist sie, um 1000 Kilometer in den Süden zu fahren.

Sind Elektroautos auch als Familienauto geeignet?

Jan Christensen: Es wollen ja etliche demnächst auf den Markt kommen. Eins davon ist die so genannte "Mia", ein deutsch-französisches Projekt, eine Art Kleinstbus mit vier Sitzen, ausreichend Gepäckraum und 100 Kilometer Reichweite. Damit kann man vier Personen transportieren oder auch mal zum Baumarkt fahren. Es ist aber trotzdem klein und leicht.

Was muss man ungefähr investieren?

Jan Christensen: Um die 20.000 Euro. Man muss aber dagegen rechnen, dass die Verbrauchskosten niedriger sind, weil Sie eben weniger Energie verbrauchen, und es gibt es auch bestimmte steuerliche Vergünstigungen. Außerdem fallen wahrscheinlich auch die Reparaturen niedriger aus, weil es weniger Verschleißteile gibt.

Sind Elektroautos überhaupt praktisch? Gibt es zum Beispiel genügend Ladestationen?

Jan Christensen: Noch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass Elektroautos zunächst mal Zweitwagen ersetzen, und dass Menschen sie kaufen, die eine Steckdose außen haben und dann über Nacht das Auto draußen oder in der Garage laden. Das wird auch für die meisten Nutzer reichen. Wer nicht weiter als 100 Kilometer am Tag fährt, für den reicht das, der braucht zwischendurch gar nicht nachzuladen. Es macht die Sache natürlich einfacher, wenn im öffentlichen Raum oder bei Arbeitgebern Steckdosen installiert sind. Da ist Frankreich zum Beispiel weiter: Das gibt es Bauvorschriften, dass alle Arbeitgeber ihre Parkplätze elektrifizieren müssen. Das liegt aber auch daran, dass die französische Autoindustrie sehr viel weiter ist.

Was für ein Fahrzeug fahren Sie selbst?

Jan Christensen: Ich fahre seit zwei Jahren einen elektrischen Motorroller mit Lithium-Akku, bin den auch im Winter bei minus zehn Grad gefahren, und das macht einen Heidenspaß! Im Innenstadtbereich hat man keine Parkplatzsorgen, und ich hänge jedes Verbrennungsmoped damit locker ab, weil die Beschleunigung einfach besser ist.