"Utta Danella: Wachgeküsst", 20. Mai, 20.15 Uhr, im Ersten
Eine unmodische Hornbrille, die Haare wenig vorteilhaft hochgesteckt oder gar zu Schulmädchenzöpfen geflochten, dazu Kleider, die alles andere, aber bloß nicht die Figur betonen: Mira Bartuschek ist als junge Frau, die ihr Dasein völlig in den Dienst des Familienhotels stellt, erfolgreich in ein unscheinbares verhuschtes Landei verwandelt worden. Der Titel dieses Films, der auf Utta Danellas Roman "Das Hotel im Park" basiert, verrät, wie’s weitergeht: Es ist schon ein veritabler Märchenprinz nötig, um Marie aus ihrem Dornröschenschlaf wach zu küssen. Aber Niklas (Kai Schumann) ist ein gefragter Fotograf, der Aufträge in der ganzen Welt bekommt. Marie dagegen hat sich mit Haut und Haaren ihrer Arbeit verschrieben, was man gut verstehen kann: Das Hotel am Kochelsee im oberbayrischen Voralpenland ist ein Traumhaus.
"Wachgeküsst" ist ein typischer Freitagsfilm der ARD: Die Kamera schwelgt in Landschaft und Blütenpracht, es herrscht herrliches Urlaubswetter, die Mitwirkenden sind ausnahmslos Menschen ohne Fehl und Tadel, und auch die Musik hat erheblichen Anteil daran, dass Missstimmung nicht mal im Ansatz auftaucht. Dazu passt ein zweiter romantischer Erzählstrang: Maries Mutter (Janina Hartwig) hat einst für den mittlerweile verstorbenen Gatten ihre Ambitionen als Künstlerin fahren lassen und versauert nun als Empfangsdame und Buchhalterin. Nur allzu gern lässt sie sich daher von ihrem früherem Professor (Daniel Friedrich), der sie schon damals geliebt hat, umgarnen. Diese Erzählebene ist allerdings bei Weitem nicht so berührend (Regie: Gloria Behrens) wie die Geschichte von Marie und Niklas, zumal Bartuschek und Schumann die zaghafte Romanze auch sehr schön spielen.
Konstruierter Rahmen
Natürlich nimmt sich das Drehbuch (Antje Bähr und Nicole Walter-Lingen) für dieses Paar auch mehr Zeit. Trotzdem ist seine Liebe viel überzeugender eingefädelt, selbst wenn der Rahmen völlig konstruiert ist: Maries Großmutter Ruth (Heidelinde Weis), die Patriarchin des Betriebs, will ihrer Enkelin mit Hilfe einer Internetkontaktbörse einen Mann besorgen. Da sie ein Foto braucht, kommt ihr der Berliner Fotograf Niklas gerade recht. Der soll eigentlich Bilder für einen neuen Hotelprospekt machen und nun nebenbei auch ein hübsches Porträt der kamerascheuen Marie aufnehmen. Das schickt Ruth dann einem interessierten Bewerber, doch als der im Hotel auftaucht, hat sich Marie längst in Niklas verliebt, aber der zieht nach getaner Arbeit wieder in die Welt hinaus.
Mitunter klingen die Dialoge schwer nach Kalenderspruch ("Es ist nie zu spät, sein Leben zu ändern"), und um das Prädikat "nicht vorherzusehen" bewirbt sich der Film gar nicht erst. Aber Kai Schumanns schiefes Grinsen und Mira Bartuscheks Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling entschädigen für vieles.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).