Elf Tage nach der Tötung des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden sind bei einem Doppel-Selbstmordanschlag in Pakistan mindestens 80 Menschen getötet worden, die meisten davon Rekruten. Nach Krankenhausangaben wurden mindestens 115 Menschen verletzt, 15 davon schwebten in Lebensgefahr.
Die pakistanischen Taliban (TTP) bekannten sich zu dem schwersten Anschlag in Pakistan seit Jahresbeginn, den sie als Racheakt für die Tötung Bin Ladens bezeichneten. Ein Sprecher der Aufständischen namens Ehsanullah Ehsan sagte: "Dieser Angriff wurde ausgeführt, um Rache für das Märtyrertum von Osama bin Laden und für die Grausamkeiten der pakistanischen Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten zu üben."
Auch Zivilisten unter den Toten
Zu dem Doppelanschlag kam es außerhalb eines Camps der paramilitärischen Polizeieinheit Frontier Constabulary (FC) im nordwestpakistanischen Distrikt Charsadda nahe der Provinzhauptstadt Peshawar. Die paramilitärischen Sicherheitskräfte werden vor allem im Kampf gegen Aufständische in den Stammesgebieten an der afghanischen Grenze eingesetzt und sind immer wieder Ziel von Anschlägen.
Nach FC-Angaben wollten sich am Freitag mehr als 800 Rekruten nach Abschluss ihrer Ausbildung auf den Weg in einen kurzen Heimaturlaub machen. Polizeisprecher Jehanzeb Khan sagte, die jungen Männer hätten gerade ihr Gepäck in Busse außerhalb des Lagers verladen, als die beiden Selbstmordattentäter auf einem Motorrad angekommen seien. Einer der Attentäter sei abgestiegen und habe sich versteckt. Der andere habe sich an den Bussen in die Luft gesprengt. Als sich Menschen am Anschlagsort versammelten, um Hilfe zu leisten, habe der zweite Attentäter seinen Sprengstoff in der Menge gezündet.
Der stellvertretende Ministerpräsident der Provinz Khyber Pakhtukhwa, Bashir Ahmad Bilour, sagte, der Tod von 80 Menschen sei inzwischen bestätigt. Nach Polizeiangaben waren drei der Toten Zivilisten, bei den anderen Opfern handelte es sich um Rekruten. Es war der erste schwere Anschlag seit der Tötung Bin Ladens in Pakistan durch US-Spezialeinheiten in der Nacht zu Dienstag vergangener Woche.
Warnung an die eigenen Landsleute
Außenminister Guido Westerwelle verurteilte die Tat. "Das brutale Vorgehen der Attentäter zeigt, dass die Terrorgefahr auch nach dem Tod Osama bin Ladens nicht gebannt ist. Die internationale Staatengemeinschaft, aber auch Pakistan selbst, müssen weiter entschlossen gegen Terrorismus vorgehen", erklärte er in Rostock.
Taliban-Sprecher Ehsan sagte: "Unsere Sicherheitskräfte haben sich mit den Amerikanern verbündet." Er kündigte weitere noch größere Anschläge in Kürze an. "Wir warnen die Menschen davor, ihren Kindern zu erlauben, zur pakistanischen Armee oder den paramilitärischen Truppen zu gehen", sagte der Sprecher. Die TTP ist ein Zusammenschluss von mehr als einem Dutzend militanter Gruppen.
Amerikanische Ermittler befragten unterdessen nach einem Bericht des US-Senders CNN die drei Witwen von Bin Laden in Pakistan. Die ersten Gespräche mit den Frauen hätten wenig Informationen erbracht, meldete CNN unter Berufung auf zwei amerikanische und einen pakistanischen Regierungsvertreter, die mit der Angelegenheit befasst sind. Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdienstes ISI seien bei der Befragung anwesend gewesen, bei der die älteste der Witwen für die Gruppe gesprochen habe. Die Frauen seien den Amerikanern gegenüber "feindselig" gewesen.
Beziehungen zwischen den Ländern schwer belastet
Die pakistanische Regierung hatte vor wenigen Tagen im Streit um eine Befragung der Witwen des Top-Terroristen eingelenkt und amerikanischen Ermittlern Zugang gewährt. Zwei der Frauen stammen nach pakistanischen Angaben aus Saudi-Arabien, die dritte aus dem Jemen. US-Sondereinheiten hatten Bin Laden in der Nacht zu Dienstag vergangener Woche in der nordwestpakistanischen Stadt Abbottabad erschossen. Die eigenmächtige US-Operation hat die Beziehungen zwischen Washington und Islamabad schwer belastet.
Auch innenpolitisch waren Regierung und Armee wegen der Operation der Amerikaner auf pakistanischem Territorium unter massiven Druck geraten. Auf Anweisung von Premierminister Yousuf Raza Gilani wollten Armee- und Geheimdienstführung den Parlamentariern am Freitag hinter geschlossenen Türen Rede und Antwort stehen.